Im Laufe der Feier taufte und firmte Franziskus acht Erwachsene aus fünf Ländern. In seiner Predigt über das Oster-Evangelium ging der Papst zuvor auf die negativen Lebenserfahrungen der Menschen ein und sagte: "Manchmal fühlen wir uns müde aufgrund der täglichen Routine, müde (...) in einer kalten, harten Welt, in der die Gesetze der Verschlagenen und Starken vorzuherrschen scheinen. Andere Male fühlen wir uns hilflos und entmutigt gegenüber der Macht des Bösen, (...) dem Krebsgeschwür der Korruption, der grassierenden Ungerechtigkeit und den eisigen Winden des Krieges."
Angesichts von Hoffnungslosigkeit rief Franziskus die Gläubigen auf, in ihrem Leben als Christen das Gefühl von Niederlagen hinter sich zu lassen und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Damit dies gelinge, sollten sich alle an den Moment und die Erfahrung in ihrem Leben erinnern, als sie Jesus zum ersten Mal begegneten.
Dieser Moment verändere das Leben und ermögliche eine "strahlend neue Sichtweise auf uns selbst, auf die Wirklichkeit und auf das Geheimnis des Lebens». Um wieder neu anzufangen und den Weg fortzusetzen, genüge es nicht, zu einem abstrakten, idealen Jesus zurückzugehen, sondern es gehe um die «lebendige, konkrete und bewegende Erinnerung an unsere erste Begegnung mit ihm".
Dies sei der Punkt in der eigenen Lebensgeschichte, «wo Jesus für dich nicht einfach eine geschichtliche Gestalt blieb wie andere, sondern wo er zur wichtigsten Person deines Lebens wurde: kein ferner Gott, sondern der nahe Gott, der dich besser kennt und dich mehr liebt als jeder andere."
An dem Gottesdienst nahmen nach Vatikanangaben rund 8.000 Menschen teil. Die Eucharistiefeier am Hauptaltar des Petersdoms zelebrierte der britische Kurienkardinal Arthur Roche, Präfekt der vatikanischen Gottesdienstbehörde.
Die Predigt im Wortlaut
Die Nacht neigt sich dem Ende zu und das erste Licht der Morgendämmerung erscheint, als die Frauen sich auf den Weg zum Grab Jesu machen. Unsicher und verloren kommen sie daher, mit schmerzerfülltem Herzen angesichts des Todes, der ihnen den Geliebten weggenommen hat. Doch als sie zu jenem Ort kommen und das leere Grab sehen, kehren sie um und schlagen einen anderen Weg ein; sie verlassen das Grab und laufen los, um den Jüngern einen neuen Weg zu verkünden: Jesus ist auferstanden und wartet in Galiläa auf sie. Diese Frauen erlebten Ostern als Pascha, als einen Übergang: Ihr trauriger Gang zum Grab geht über in einen freudigen Lauf zu den Jüngern, nicht nur, um ihnen zu sagen, dass der Herr auferstanden ist, sondern auch, dass es ein Ziel gibt, zu dem sie sich sogleich begeben sollen, nämlich Galiläa. Dort werden sie den Auferstandenen treffen. Die Wiedergeburt der Jünger, die Auferstehung ihrer Herzen erfolgt über Galiläa. Lasst uns ebenfalls diesen Weg der Jünger einschlagen, der vom Grab nach Galiläa führt.
Die Frauen, so heißt es im Evangelium, »kamen […], um nach dem Grab zu sehen« (Mt 28,1). Sie meinen, Jesus befände sich an diesem Ort des Todes und alles sei für immer vorbei. Manchmal passiert es auch uns, dass wir denken, die Freude der Begegnung mit Jesus gehöre der Vergangenheit an, während wir in der Gegenwart vor allem versiegelte Gräber erleben: jene unserer Enttäuschungen, unserer Bitterkeit und unseres Misstrauens, das Grab jener Haltung, die meint, „da ist nichts mehr zu machen“, „die Dinge werden sich nie ändern“, „besser, von Tag zu Tag zu leben“, weil „man nicht sicher sein kann, was morgen sein wird“. Auch wir haben schon den bitteren Geschmack der Müdigkeit verspürt und erfahren, wie die Freude in unserem Herzen erloschen ist, wenn wir vom Schmerz gepeinigt, von Trauer bedrückt, von Sünde gedemütigt und angesichts von Misserfolgen verbittert waren oder von Sorgen geplagt wurden.
Manchmal fühlen wir uns vielleicht einfach nur müde aufgrund der täglichen Routine, müde von den persönlichen Risiken in einer kalten, harten Welt, in der die Gesetze der Verschlagenen und Starken vorzuherrschen scheinen. Andere Male fühlen wir uns hilflos und entmutigt gegenüber der Macht des Bösen, den Konflikten, die Beziehungen auseinanderreißen, der Berechnung und Gleichgültigkeit, die in der Gesellschaft zu herrschen scheinen, dem Krebsgeschwür der Korruption - es gibt viel davon-, der grassierenden Ungerechtigkeit und den eisigen Winden des Krieges.
Vielleicht waren wir auch schon mit dem Tod konfrontiert, weil er uns die wohltuende Gegenwart unserer Lieben geraubt hat oder weil wir von Krankheit oder einem schweren Schicksalsschlag gestreift wurden. So wurden wir zu einer leichten Beute der Desillusionierung und die Quelle der Hoffnung ist versiegt. In solchen oder ähnlichen Situationen - jeder von uns kennt die eigenen - kommen wir vor Gräbern zum Stehen und wir verbleiben dort, erfüllt von Trauer und Bedauern, allein und machtlos, und stellen immer wieder die Frage nach dem „Warum?“ Diese Kette der „Warum“...
Die Frauen bleiben an Ostern jedoch nicht wie gelähmt vor dem Grab stehen, vielmehr, so heißt es im Evangelium, »verließen sie das Grab voll Furcht und großer Freude und sie eilten zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden« (V. 8). Sie überbringen die Nachricht, die das Leben und die Geschichte für immer verändern wird: Christus ist auferstanden (vgl. V. 6)! Gleichzeitig denken sie daran, den Jüngern die Aufforderung des Herrn zu überbringen, nach Galiläa zu gehen, weil sie ihn dort sehen werden (vgl. V. 7). Aber, Brüder und Schwestern, wir fragen uns heute, was bedeutet es, nach Galiläa zu gehen? Zweierlei: Zum einen bedeutet es, aus der Geschlossenheit des Abendmahlsaals herauszugehen, um in diese von den Heiden bewohnte Region zu gehen (vgl. Mt 4,15), es bedeutet, aus dem Versteck herauszukommen und sich der Mission zu öffnen, der Angst zu entfliehen um der Zukunft entgegenzugehen. Zum anderen - und das ist sehr schön - bedeutet es, zu den Ursprüngen zurückzukehren, denn gerade in Galiläa hatte alles begonnen. Dort hatte der Herr die Jünger zum ersten Mal getroffen und gerufen. Nach Galiläa gehen bedeutet also, zur ursprünglichen Gnade zurückzukehren, und die Erinnerung wiederzuerlangen, die die Hoffnung erneuert, die „Erinnerung an die Zukunft“, mit der wir vom Auferstandenen beschenkt worden sind.
Das also bewirkt das Osterereignis der Auferstehung des Herrn: Es motiviert uns, vorwärts zu gehen, das Gefühl der Niederlage hinter uns zu lassen, den Stein von den Gräbern wegzuwälzen, in denen wir oft unsere Hoffnung gefangen halten, und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken, weil Christus auferstanden ist und den Lauf der Geschichte verändert hat. Damit das aber gelingt, führt uns die Auferstehung des Herrn zurück zu den Gnadenerfahrungen unserer Vergangenheit; sie lässt uns wieder nach Galiläa gehen, wo unsere Liebesgeschichte mit Jesus begann, wo die erste Berufung erfolgte. Sie lädt uns also ein, erneut den Moment, die Situation und die Erfahrung zu leben, in der wir dem Herrn begegnet sind, seine Liebe erfahren haben und eine strahlend neue Sichtweise auf uns selbst, auf die Wirklichkeit und auf das Geheimnis des Lebens gewonnen haben. Brüder und Schwestern, um wieder aufzustehen, neu anzufangen und den Weg fortzusetzen, müssen wir stets nach Galiläa zurückkehren, das heißt, nicht zu einem abstrakten, idealen Jesus zurückgehen, sondern zu der lebendigen, konkreten und bewegenden Erinnerung an unsere erste Begegnung mit ihm. Ja, um vorwärts zu gehen, müssen wir zurückgehen in der Erinnerung; um Hoffnung zu haben, müssen wir unsere Erinnerung pflegen. Das ist die Einladung: Erinnere dich und geh weiter! Wenn du die erste Liebe, das Staunen und die Freude über die Begegnung mit Gott wiederfindest, wirst du vorankommen. Erinnere dich und geh weiter.
Erinnere dich an dein Galiläa und gehe zu deinem Galiläa. Es ist der „Ort“, an dem du Jesus persönlich kennengelernt hast, wo er für dich nicht einfach eine geschichtliche Gestalt blieb wie andere, sondern wo er zur wichtigsten Person deines Lebens wurde: kein ferner Gott, sondern der nahe Gott, der dich besser kennt und dich mehr liebt als jeder andere. Lieber Bruder, liebe Schwester, erinnere dich an Galiläa, an dein Galiläa: an deine Berufung, an jenes Wort Gottes, das er in einem bestimmten Augenblick genau zu dir gesprochen hat; an jene kraftvolle Erfahrung im Geiste, an die besonders große Freude über die Vergebung, die du nach einer bestimmten Beichte empfunden hast, an jenen intensiven und unvergesslichen Moment des Gebets, an jenes Licht, das dir aufgegangen ist und das dein Leben verändert hat, an jene Begegnung, an jene Pilgerreise... Jeder von uns weiß, wo das eigene Galiläa liegt, jeder von uns kennt seinen eigenen Ort innerer Auferstehung, jenen grundlegenden Ort des Anfangs, der alles verändert hat. Wir können ihn nicht einfach der Vergangenheit überlassen; der Auferstandene lädt uns ein, dorthin zu gehen, um Ostern zu erleben. Denk an dein Galiläa, erinnere dich daran und lass es heute wiederaufleben. Kehr zu jener ersten Begegnung zurück. Frag dich, wie sie war und wann sie stattgefunden hat, rekonstruiere die Umstände, die Zeit und den Ort, spüre erneut die Gefühle und Empfindungen, vergegenwärtige dir wieder die Farben und den Geschmack. Denn als du jene erste Liebe, als du jene erste Begegnung vergessen hast, da begann es, dass sich Staub auf dein Herz legte. Und du hast Traurigkeit verspürt, und so ist dir wie den Jüngern alles aussichtslos erschienen, so als versiegelte ein Felsbrocken die Hoffnung. Doch heute, Bruder, Schwester, lädt die Macht des Osterereignisses dazu ein, die Felsbrocken der Enttäuschung und des Misstrauens wegzuwälzen. Der Herr, der ein Meister darin ist, die Grabsteine der Sünde und der Angst umzustoßen, will dein heiliges Andenken, deine schönste Erinnerung zum Strahlen bringen, er will dir deine erste Begegnung mit ihm neu vergegenwärtigen. Erinnere dich und geh weiter: Kehre zu ihm zurück, entdecke die Gnade von Gottes Auferstehung in dir! Kehr nach Galiläa zurück, kehre in dein Galiläa zurück!
Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns Jesus nach Galiläa folgen, ihm begegnen und ihn dort anbeten, wo er einen jeden von uns erwartet. Lassen wir die Schönheit jenes Momentes wieder aufleben, als wir ihn, nachdem wir ihn als den Lebendigen erfahren hatten, zum Herrn unseres Lebens erkoren haben. Lasst uns nach Galiläa zurückkehren, ins Galiläa der ersten Liebe: jeder zu seinem eigenen Galiläa, jenem Ort der ersten Begegnung, und lasst uns so zu neuem Leben auferstehen!