An Heiligabend eröffnet Papst Franziskus in Rom das Heilige Jahr 2025. Es ist das erste reguläre "Jubiläum" seit der Jahrtausendwende. Ähnlich wie damals wollen viele Millionen Menschen aus aller Welt nach Rom reisen und dort mindestens eine der Heiligen Pforten durchschreiten. Manche haben das vor 25 Jahren mit einer Mischung aus Neugierde und Belustigung getan, weil sie nicht wirklich daran glaubten, dass ihnen der uralte Brauch hilft, die Last vergangener Schuld loszuwerden. Andere taten es mit Ernst und Freude. Wege des großen Andrangs an Gläubigen mussten zusätzliche Beichtstühle aufgestellt werden.
Unterschiedliche Umstände
Auch im Vorfeld des Jahres 2000 war es mit Johannes Paul II. ein von Alter und Gebrechen gezeichneter Papst, der das Heilige Jahr ausrief. Und doch könnten die Umstände unterschiedlicher kaum sein als zu Beginn dieser beiden Heiligen Jahre. Schon ein Vergleich der feierlichen "Verkündigungsbullen" zeigt das. Johannes Paul II. kündigte das Jubeljahr der Jahrtausendwende gleich zweimal an. Einmal bereits 1994 in dem von historischem Optimismus getränkten Schreiben "Tertio Millennio Adveniente" über das herannahende dritte Jahrtausend. Und dann 1998 in der eigentlichen Bulle.
Seine Schreiben hatte er unter dem Eindruck der Ereignisse von 1989 bis 1991 verfasst. Damals waren die kommunistischen Diktaturen nahezu gewaltfrei besiegt worden. Er selbst und überzeugte Christen in Vilnius, Danzig und Leipzig hatten viel dazu beigetragen. Der Alptraum der Auslöschung der Menschheit durch einen drohenden Atomkrieg von Ost und West schien beinahe über Nacht verschwunden.
Die christlichen Kirchen hatten neue Wege der Annäherung gefunden, und auch der Dialog der Weltreligionen schien ein neues Stadium erreicht zu haben. Die katholische Kirche selbst wirkte damals wie von einer frischen Dynamik erfasst. Die Weltjugendtage und die neuen geistlichen Bewegungen schienen einen Aufschwung unter jungen Menschen sogar in Europa zu bewirken.
Alte Kirche mit neuem Schwung
Die schwärende Wunde des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Geistliche war nur in Nordamerika stellenweise aufgebrochen, viele Priester und Ordensfrauen von Abbé Pierre bis Mutter Teresa galten damals über die Kirche hinaus als leuchtende Vorbilder an Menschlichkeit und Nächstenliebe. Um dies zu vollenden, kündigte Johannes Paul II. einen historischen Bußakt an, in dem sich die Kirche zu schweren Verfehlungen in ihrer Geschichte bekennen und sie hinter sich lassen wollte - von den Kreuzzügen über die Ketzerprozesse bis zu den Konfessionskriegen. So sollte die Institution gereinigt ins dritte Jahrtausend gehen, um die 2000 Jahre alte Botschaft von der Menschwerdung Gottes mit noch mehr neuem Schwung und befreit von altem Ballast in einer immer friedvolleren Welt zu verkünden.
25 Jahre später ist fast alles anders. Papst Franziskus führt eine in ihrer Glaubwürdigkeit schwer erschütterte und um innere Reformen ringende Kirche in einer von Kriegen und Untergangsängsten geplagten Welt. Er selbst hat die Lage nie beschönigt, im Gegenteil. Lange bevor Russland seine Nachbarn mit Krieg überzog und bevor der Nahostkonflikt zum Flächenbrand zu werden drohte, sprach er schon von einem «dritten Weltkrieg auf Raten». Düster waren auch die Prophezeiungen, die er in seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" mit Blick auf die Erderwärmung formulierte.
Düstere Töne
Düstere Töne fehlen auch in der Ankündigungsbulle für das nun beginnende Heilige Jahr nicht. Die Feststellung, dass sich die Welt derzeit "inmitten der Tragödie des Krieges befindet", prägt den ersten Teil der Bulle. Beinahe trotzig klingt dagegen der Titel: "Spes non confundit" (Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen). Den Nichtglaubenden sagt der Papst in dem Text: "Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird." Und den Gläubigen macht er Mut mit den Worten: "Tatsächlich täuscht die christliche Hoffnung nicht und sie enttäuscht nicht, denn sie gründet sich auf die Gewissheit, dass nichts und niemand uns jemals von der göttlichen Liebe trennen kann."
So bescheiden auf das Wesentliche konzentriert hat noch kein Papst zuvor ein Heiliges Jahr ausgerufen. Darüber, ob es trotzdem - oder gerade deswegen - ein "Jahr des Heils" für die Kirche und die Welt wird, werden nicht zuletzt die Rom-Pilger mit ihren persönlichen Erfahrungen Auskunft geben. Im Social-Media-Zeitalter können sie selbst diesmal vielleicht sogar mehr bewirken als einst die Medien mit ihren Berichten.