Papst Franziskus macht Liebeserklärung an Bücher

Radikaler Kurswechsel nötig

Mehr lesen! Das fordert Papst Franziskus in einem Brandbrief an die gesamte Christenheit. Nur damit kann intellektueller und spiritueller Verarmung etwas entgegengesetzt werden - das gelte ganz besonders für Priester, so Franziskus.

Papst liest einen Brief / © Romano Siciliani (KNA)
Papst liest einen Brief / © Romano Siciliani ( KNA )

Urlaubszeit ist Lesezeit - das empfindet offenbar auch der Papst so. Aus seiner Sommerpause meldet er sich mit einer zehnseitigen Liebeserklärung an das gedruckte Wort. Im Gegensatz zu allgegenwärtigen Medien und sozialen Netzwerken sei ein gutes Buch eine Oase, erweitere Vorstellungskraft wie Horizont seines Lesers, heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Brief. 

Ursprünglich habe Franziskus den auf den 17. Juli datierten Beitrag in Bezug auf die Priesterausbildung schreiben wollen. Doch sehe er seine Überlegung als allgemeingültig für alle Christen an.

Abkehr von Bildschirmen 

In seinem 44 Punkte umfassenden Brief prangert Franziskus den Mangel an Beschäftigung mit Literatur auch konkret in Priesterseminaren an. Dies sei die Ursache für eine ernsthafte intellektuelle und spirituelle Verarmung der künftigen Priester, die so eines privilegierten Zugangs zum Herzen der menschlichen Kultur und insbesondere zum Herzen des Menschen durch die Literatur beraubt würden.

Junge Frau mit Handy im Gotteshaus / © Harald Oppitz (KNA)
Junge Frau mit Handy im Gotteshaus / © Harald Oppitz ( KNA )

Der 87-Jährige fordert einen radikalen Kurswechsel, die Abkehr von der "Besessenheit von Bildschirmen" sowie von "giftigen, oberflächlichen und gewalttätigen Fake News". Literatur hingegen bereite mit ihrem Eintauchen in fremde Geschichten und Charaktere auf verschiedene Lebenssituationen vor und helfe bei Verständnis und Bewältigung.

Zudem stärke sie das Einfühlungsvermögen für andere - besonders wichtig für künftige Seelsorger. Die Lektüre eines literarischen Textes versetze in die Lage, durch die Augen anderer zu sehen, und einen Blickwinkel zu erlangen, der die eigene Menschlichkeit weite, so Franziskus.

Genre erst einmal unwichtig

Im kirchlichen Alltag helfe ebenfalls ein Buch, um nicht in Effizienzdenken zu verfallen, sich vom Unmittelbaren zu distanzieren, zu verlangsamen, zu betrachten und zuzuhören. Das Genre des Buches sei dabei erst einmal unwichtig. In seiner eigenen Zeit als Lehrer in Argentinien habe er gelernt, dass ein erster Zugang zur Populärliteratur später zu anspruchsvolleren Werken führe. Denn letztlich, so der Papst, suche das Herz nach mehr. 

Literatur helfe dem Leser, "die Götzen der selbstbezogenen, fälschlich selbstgenügsamen, statisch konventionellen Sprachen zu zerstören, die manchmal sogar unseren kirchlichen Diskurs zu verunreinigen drohen und die Freiheit des Wortes einsperren". Das literarische Wort öffne die Sprache für eigene weitere Ausdrucks- und Erkundungsmöglichkeiten und mache sie aufnahmefähig für das Wort Gottes.

Am Priester liege es dann, dieses zu vermitteln - vorher durch eigenes Literaturstudium dazu befähigt. "Wir können nicht anders, als auf die Worte zu hören, die uns der Dichter Paul Celan hinterlassen hat: 'Wer wirklich sehen lernt, nähert sich dem Unsichtbaren'", so der Papst abschließend.

Papst Franziskus

Jorge Mario Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geboren. Von 1950 bis 1954 machte er eine Ausbildung als Chemietechniker. In den Jesuitenorden trat er 1958 ein. Danach vervollständigte er seine humanistischen Studien in Chile.

Er kehrte 1963 nach Argentinien zurück und schloss sein Philosophiestudium ab. Im kommenden Jahr wurde er zum Professor für Literatur und Psychologie, erst in Santa Fe, dann in Buenos Aires. Ab 1967 studierte er Theologie, in der Zeit erhielt er auch seine Priesterweihe (1969).

Nachdenklich: Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Nachdenklich: Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA