Eine dicke Jacke wird Franziskus einpacken müssen, wenn er am 24. Juli nach Kanada fliegt. Von 40 Grad in Rom geht es runter bis auf etwa 9 Grad in Iqaluit - nur mit Glück nicht weniger. Der "Ort mit viel Fisch", wie der Name übersetzt heißt, liegt am Nordpolarmeer und soll die letzte Station der päpstlichen Versöhnungsreise in Kanada sein. Hier wird der Papst Angehörige der Inuit treffen, ehemalige Schüler der berüchtigten Residential Schools, wie schon die Menschen, denen der Papst vorher begegnet.
Kanadas Indigene fordern Entschuldigung des Papstes
Sie sind der Grund der weiten Reise, an der Franziskus - nach wie vor gesundheitlich angeschlagen - festhält. Schon lange fordern Kanadas Indigene eine Entschuldigung des Papstes für die Rolle der katholischen Kirche in der Geschichte der umstrittenen Residential Schools. Beim Besuch indigener Delegationen Ende März in Rom hatte das Kirchenoberhaupt bereits für das Versagen kirchlicher Vertreter um Vergebung gebeten.
Nun soll wohl die geforderte Entschuldigung auf kanadischem Boden folgen, ein für die Indigenen wichtiger Akt. Überlebende der National Indian Residential School sollen bereits einen Textvorschlag verfasst haben, berichtete die kanadische Presse kürzlich. Man wolle vorab sicherstellen, dass die Entschuldigung des Kirchenoberhaupts auch akzeptiert werden kann.
Gewalt, Erniedrigungen und sexuellem Missbrauch in Residential Schools
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden für indigene Kinder in Kanada sogenannte Residential Schools eingerichtet. In den Internaten sollten die Mädchen und Jungen an Gesellschaft und Kultur der europäischen Einwanderer angepasst werden. Der Staat bezahlte, die Kirche betrieb die meisten dieser Einrichtungen. Zunächst versprachen sich alle Beteiligten von den Schulen Vorteile: Die Indigenen hofften, Anschluss an europäische Kultur und Bildung zu finden, die Kirchen versprachen sich Fortschritte bei der Missionierung, und der Staat konnte die Verantwortung für die oft diskriminierten Ureinwohner abgeben.
Tatsächlich aber waren die strengen Internate häufig finanziell und personell schlecht ausgestattet und überbelegt. Kinder wurden von ihren Familien isoliert, Gespräche in der Muttersprache waren unter Androhung von Gewalt verboten. Mitunter mussten die Mädchen und Jungen selbst für den Unterhalt der Schulen arbeiten. Überlebende berichten von Gewalt, Erniedrigungen und sexuellem Missbrauch. Die letzte Residential School in Kanada schloss 1996; insgesamt lebten etwa 150.000 indigene Kinder in diesen Einrichtungen.
Bereits in den 1980er Jahren berichteten ehemalige Schülerinnen und Schüler von den Zuständen, klagten auf Entschädigung. Internationale Aufmerksamkeit erlangte das Thema aber erst in den vergangenen Jahren, als auf einigen früheren Internatsgeländen sterbliche Überreste von Kindern gefunden wurden.
Franziskus sucht das Gespräch
Nun also wird Franziskus das Gespräch mit den Indigenen-Vertretern in Kanada suchen: mit jenen der First Nations, der Metis und Inuit. Als First Nations werden alle indigenen Völker des Landes bezeichnet, die nicht den Metis - Nachfahren aus Beziehungen zwischen Europäern und indigenen Frauen - und den im Norden lebenden Inuit angehören. Auf dem Reiseplan stehen dabei die Städte Edmonton, Quebec und Iqaluit. Außerdem stattet der Papst der Gemeinde Maskwacis einen Besuch ab und will an der Pilgerfahrt zum traditionellen Fest der heiligen Anna (26. Juli) am Lac Sainte Anne nahe Edmonton teilnehmen.
Insgesamt ist das sechstägige Programm dabei deutlich übersichtlicher als bei vergangenen Papstreisen - nach einem Termin am Morgen geht es zumeist erst am Nachmittag weiter. Alter und Gesundheitszustand von Franziskus erfordern dies. Hinzu kommt die nicht geringe Zeitverschiebung von sechs bis acht Stunden.
Programm der Reise nach Kanada
So endet der erste Tag (24. Juli) nach dem knapp 8.500 Kilometer langen Flug mit der Begrüßungsfeier am Flughafen von Edmonton. Am folgenden Montag ist das erste Treffen mit drei indigenen Gruppen in Maskwacis geplant. Dort stand einst eine der größten Residential Schools von Kanada. Der Erzbischof von Edmonton, Richard Smith, geht laut Medienberichten davon aus, dass Franziskus dort um Entschuldigung bitten wird. Die Schule spiele "eine repräsentative Rolle für alle Internatsschulen".
Große Nachfrage gibt es bereits für die am Dienstag folgende Papstmesse im Commonwealth Stadion in Edmonton. Drei Mal werden Freikarten online angeboten, am ersten Ausgabetag waren 16.000 Karten innerhalb von 15 Minuten vergeben. 65.000 Menschen fasst das Stadion insgesamt. Zur Messe in der Basilika Sainte Anne de Beaupre im französischsprachigen Quebec zwei Tage später erwarten die Veranstalter bis zu 15.000 Teilnehmer.
Die regulären Höflichkeitsbesuche bei Generalgouverneurin Mary May Simon und Premierminister Justin Trudeau stehen im päpstlichen Programm wie auch Treffen mit örtlichen Geistlichen und Mitgliedern des Jesuitenordens. Prioriät haben aber die indigenen Völker. Am letzten Tag der Reise wird Franziskus ebenfalls Delegationen in Quebec treffen, bevor er dann mit überlebenden Inuit in Iqaluit spricht. Am Abend fliegt der Papst zurück. In das rund 30 Grad wärmere Rom.