Papst Franziskus hat sich erneut mit deutlichen Worten zum Liturgie-Streit in der mit Rom verbundenen Syro-Malabarischen Kirche zu Wort gemeldet.
Einheit zu bewahren sei "eine Pflicht", betonte er am 13. Mai bei einer Begegnung mit Vertretern der katholischen Teilkirche um Großerzbischof Raphael Thattil und warnte: "Wo Ungehorsam ist, ist Schisma." Franziskus ging damit auf die jüngste Eskalation in dem anhaltenden Streit im Zusammenhang mit einer Liturgiereform in der Syro-Malabarischen Kirche ein.
Rund 300 Priester aus der Erzdiözese Ernakulam-Angamaly im südindischen Bundesstaat Kerala hatten dort zuletzt den Apostolischen Administrator der Erzdiözese, Bischof Bosco Puthur, aufgefordert, dem Vatikan mitzuteilen, dass sie sich von der syro-malabarischen Kirche trennen möchten und Rom ihre Erzdiözese als unabhängige Kirche anerkennen soll.
In der indischen Ostkirche gibt es seit Jahrzehnten einen Streit über einige Aspekte der "Heiligen Qurbana", des eucharistischen Gottesdienstes im syro-malabarischen Ritus. Vor allem geht es um die Frage, ob der Priester die Eucharistie mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebrieren soll oder - wie es der Tradition entspricht - sich am Altar in einer Richtung mit der Gemeinde nach Osten wendet. Mitte
2021 beschloss die Synode der Kirche einen Kompromiss, wonach der Priester bis zum Hochgebet mit dem Gesicht zur Gemeinde am Altar steht, sich dann aber nach Osten umdreht. In Kerala lehnen zahlreiche Priester und Laien, der auch Leitungsmitglieder der Erzdiözese Ernakulam-Angamaly angehören, den Kompromiss ab. Sie fordern die Beibehaltung der Zelebration zum Volk und verweisen dabei auch auf die Praxis der modernen römischen Liturgie, die heute fast ausschließlich der Gemeinde zugewandt gefeiert wird.
Hinter dem Streit wittert der Papst Selbstbezogenheit
Es sei eine "gefährliche Versuchung", sich auf ein solches "Detail" zu konzentrieren, kritisierte der Papst, der sich bereits in den vergangenen Monaten in Briefen und Videobotschaften an die Gläubigen in Indien um Schlichtung bemüht hatte. Dass die abtrünnige Gruppe, der auch Leitungsmitglieder des Erzbistums angehören, bei dem Streit nicht einlenke, sei "zum Nachteil des Gemeinwohls der Kirche" und "selbstbezogen", so Franziskus.
"Genau hier schleicht sich der Teufel, der Spalter ein", warnte er. Es zeuge außerdem von mangelndem Respekt gegenüber der Eucharistie - jenes Sakramentes, das doch gerade für die Einheit mit Gott und innerhalb der christlichen Gemeinschaft stehe.
Die Bewahrung der Einheit sei "keine fromme Ermahnung, sondern eine Pflicht", erinnerte Franziskus - "vor allem, wenn es sich um Priester handelt, die Gehorsam versprochen haben und von denen das gläubige Volk das Beispiel der Nächstenliebe und Sanftmut erwartet".
Ungehorsam sei der Kirche nicht zuträglich: "Wo Gehorsam ist, da ist Ecclesia; wo Ungehorsam ist, da ist Schisma", schärfte der Papst nach Angaben des vatikanischen Nachrichtenportals ein.
Wird der neue Großerzbischof die Situation meistern?
Die im Januar erfolgte Wahl Raphael Thattils zum Großerzbischof und damit Oberhaupt der Syro-Malabarischen Kirche war von der Hoffnung begleitet, er könne den langjährigen Konflikt befrieden. Auf einen Appell Thattils und der Synode zur Einheit reagierten die Gegner der einheitlichen Liturgie jedoch ablehnend. Der Papst forderte Thattil nun auf, sich "mit Entschlossenheit" und "unermüdlich" für Einheit stark zu machen und zugleich dialogbereit zu bleiben.
Die Syro-Malabarische Kirche solle sich angesichts von Schwierigkeiten und Krisen nicht entmutigen lassen, sie solle geduldig sein und sich nicht in Vorurteilen oder Feindseligkeiten verschließen, wandte sich der Papst dann an alle Gläubigen. Kerala sei "ein Bergwerk der Berufungen!", gab Franziskus weiter zu bedenken. "Lasst uns beten, dass dies auch in Zukunft so bleibt."
Die syro-malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus.
Konflikte und Brüche wegen der Liturgie sind in Indien nicht neu
Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen ("Latinisierung") und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Bereits jetzt gibt es zwei katholische Kirchen der Thomaschristen: Neben den Syro-Malabaren besteht die kleinere syro-malankarische Kirche, die ihre Liturgie im westsyrischen Ritus feiert.