Sie ist ein großes Sorgenkind der katholischen Weltkirche: Die mit Rom unierte Ostkirche der Syro-Malabarer in Indien. Reden einige Medien im Westen gerne die Gefahr eines Schismas durch kirchliche Bewegungen in Deutschland oder den USA herbei, ist diese Gefahr in Indien im Moment mehr als real. Ein tiefer Riss zieht sich durch die indische Teilkirche, die vor allem mit der Zelebrationsrichtung des Gottesdienstes zu tun hat.
Ein Papstgesandter wurde mit Eiern beworfen. Seit November ist die Kathedrale der Syro-Malabarer nach liturgischen Streitigkeiten geschlossen worden, im Dezember hat sich sogar Papst Franziskus mit einer flehenden Videobotschaft an die Gläubigen gewandt und um ein Ende des Streites gebeten.
Ein großer Faktor in diesem Streit war nach Beobachtern auch der bisherige Kirchenobere, der Großerzbischof und Kardinal George Alencherry, dem neben den Kirchenspannungen auch ein Korruptionsskandal angelastet wurde. Alencherry musste kurz vor Weihnachten seinen Hut nehmen. Nun steht fest, wer sein Nachfolger als Oberhirte im Bundesstaat Kerala werden soll.
Weitgehend unbekannter Nachfolger
Die Synode der Syro-Malabarer entschied sich unter großer Geheimhaltung für den relativ unbekannten Provinzbischof Raphael Thattil. Seit 2017 diente er als erster Bischof der neu gegründeten Eparchie von Shamshabad. Studiert hat er Psychologie und Theologie in Indien und Rom. Zu den vier Sprachen, die er beherrscht, soll auch Deutsch gehören. Indische Medien beschreiben ihn als guten Zuhörer und Brückenbauer im besten Sinne. Das Indische Portal onmanorama.com berichtet von den ersten Worten nach der Bekanntgabe seines neuen Amtes.
Eine Position im Liturgiestreit wolle er nicht beziehen, bevor er nicht mit allen beteiligten gesprochen habe. "Ich habe es immer für falsch gehalten eine Entscheidung zu fällen, bevor alle Seiten zu Wort gekommen sind." Die Schließung der Marienkathedrale in Ernakulam will er allerdings direkt angehen. "Kirchen sollten nicht geschlossen sein." Er werde sich mit Möglichkeiten beschäftigen, die Gottesdienste in der syro-malabarischen Hauptkirche wieder aufzunehmen.
Der neue Großerzbischof will Zuversicht in die krisengebeutelte indische Teilkirche bringen. "Jede Krise ist ein Horizont, nicht das Ende. Es wird auch wieder einen Sonnenaufgang geben." Einheit und Zusammenarbeit ständen für ihn im Mittelpunkt seiner neuen Aufgabe, sagte er nach der Bekanntgabe seiner Wahl zu seinen Amtsbrüdern. "Lasst uns nun zusammenarbeiten."
Ein Problemlöser für Kerala
Thattil gilt als geeignet für diese große Aufgabe, da er über die verschiedenen kirchenpolitischen Fraktionen hinweg respektiert und angesehen ist. "Er gilt als Problemlöser und ist in diesem Moment genau die richtige Wahl", zitiert die Website Onmanorama.com einen namentlich nicht genannten indischen Bischof.
Die syro-malabarische Kirche ist die zweitgrößte mit Rom unierte, eigenständige katholische Kirche. Die Bischöfe werden durch die Synode gewählt und durch den Papst bestätigt, den sie wie alle unierten Kirchen als Oberhaupt anerkennt.