Das Treffen in den Privaträumen des Papstes habe in einer "besonderen Atmosphäre" stattgefunden, sagte der Priester Liudger Gottschlich dem Portal "VaticanNews" (Dienstag).
"Wir haben ihn als sehr interessiert, sehr offen, aber auch als sehr ermutigend und stärkend erlebt", so Gottschlich, der demnach mit elf Jahren von einem Priester missbraucht wurde und heute als Seelsorger für Betroffene arbeitet.
"Wir sind als Priester, die selbst Missbrauch erlebt haben, in der Kirche in einer schwierigen Situation", so der Geistliche aus dem Erzbistum Paderborn. "Am liebsten sollten wir unsichtbar sein, denn wir erinnern die Kollegen immer wieder an dieses Thema." In Deutschland verließen die Menschen wegen des Missbrauchs-Themas "zu Zehntausenden" die Kirche. "Und wir erinnern immer wieder daran, dass dieses Thema nicht erledigt ist", sagte Gottschlich.
Thema in Kirche "wachhalten"
Der Papst habe sie in seinem Wohnzimmer empfangen, berichtete der Priester. "Es war ein sehr intimes Gespräch, ein sehr vertrautes Gespräch." Franziskus als interessiert, offen und stärkend zu erleben, sei "etwas, was nicht überall in unseren Diözesen durch die Vorgesetzten geschieht", so der Geistliche. "Der Papst hat uns sehr stark ermutigt, die eigenen Wunden fruchtbar zu machen für die seelsorgliche Arbeit und zu versuchen, soweit das überhaupt möglich ist, heilend zu wirken." Zugleich habe das Treffen gezeigt, "dass es notwendig ist, nicht stumm zu werden, sich nicht wieder mundtot machen zu lassen, sondern dieses Thema in der Kirche wachzuhalten", betonte Gottschlich.
Die Darstellung, Missbrauch geschehe zum großen Teil in den Familien, in Sportvereinen und anderen Orten, während es in der Kirche "nur ein paar Prozent" seien, nannte der Seelsorger "verkürzt" und "theologisch falsch": "Die Kirche, das sind alle Getauften, und die, die missbraucht haben vor 20 oder 70 Jahren, waren ebenfalls alles Getaufte. Deshalb ist dieses Thema des Missbrauchs in der Kirche viel größer, und wir können es nicht einfach aufteilen in Familien und andere Gesellschaftsteile", sagte Gottschlich. Die Kirche habe eine Verantwortung "für diese vielen Menschen".