DOMRADIO.DE: Was hat man aus Berlin gehört?
Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Nichts Genaues in Bezug auf den "Synodalen Weg", den sich die Bischöfe bei Ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen verordnet haben, um aus der großen Krise herauszukommen. Es gibt diesbezüglich auch noch keine offizielle Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz. Die Sitzungen des sogenannten Ständigen Rates, dem alle leitenden Bischöfe der 27 Diözesen angehören, sind immer intern. Es sind streng vertrauliche Arbeitssitzungen.
Aber bei so einem spannenden Thema sickert natürlich etwas durch. Und wir wissen jetzt, dass dieser deutsche "Synodale Weg" offensichtlich auch im Vatikan sehr genau beobachtet wird. Denn mitten in die Beratungen der Bischöfe kam der päpstliche Nuntius, Kurienerzbischof Nikola Eterovic, mit einem Brief hineingeplatzt. Er hat sich quasi als Postbote des Papstes betätigt und damit deutlich gemacht, dass die Bischöfe berücksichtigen sollen, was sich der Papst von den deutschen Bischöfen wünscht.
DOMRADIO.DE: Was hat der Papst denn zum "Synodalen Weg" der deutschen Bischöfe gesagt oder geschrieben? Was weiß man darüber?
Brüggenjürgen: Der Brief ist noch nicht veröffentlicht worden. Für die meisten Bischöfe - so hört man - kam dieser Brief auch relativ überraschend. Einige wussten offenbar aber schon vorher etwas.
Wie man in Erfahrung bringen kann, ist es wohl so, dass der Papst nicht den kompletten "Synodalen Weg" einkassiert hat. Er hat offenbar aber deutlich gemacht, dass einige Wegmarken berücksichtigt werden sollen. Dass man die Einheit mit der Weltkirche suchen solle und den "katholischen Weg" - so sage ich das mal mit meinen Worten - nicht verlassen dürfe.
Ich gehe davon aus, dass dieser Brief in den nächsten Stunden oder spätestens Tagen an die Öffentlichkeit kommt. Dann muss man natürlich eine genaue Textanalyse vornehmen und dann sehen alle weiter.
DOMRADIO.DE: Haben die Bischöfe denn konkrete Schritte vereinbart?
Brüggenjürgen: Ja. Man bleibt im Prozess. In Lingen haben die Bischöfe verabredet, dass drei Themenkomplexe ganz offen zusammen mit Laien und mit ausgewählten Personen bearbeitet werden sollen. Das sind die großen Bereiche "Macht", also Gewaltenteilung, der Bereich "Sexualmoral" und der Bereich "priesterliche Lebensform", also Zölibat und alles, was damit zu tun hat. Ob noch eine vierte Themengruppe zur Rolle der Frauen in der Kirche hinzukommt, wie man das vielleicht nach der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, nach der Protestinitiative "Maria 2.0" und dem kfd-Votum, wonach Frauen in alle Ämter der Kirche hineinkommen sollen, erwartet hätte, ist im Moment anscheinend noch offen.
Jetzt muss man erst einmal den Papstbrief studieren. Das müssen die Bischöfe auch tun. Der Inhalt muss dann in die Überlegungen eingearbeitet werden.
DOMRADIO.DE: Kardinal Marx hatte ja in Lingen schon relativ verbindliche Schritte angekündigt.
Brüggenjürgen: Er hat gesagt, dass man nicht nochmal einen Gesprächs- und Dialogprozess durchführen könne, wo am Ende alle wieder so klug sind wie zuvor. Ganz entscheidend wird sein, ob sich die Kirche jetzt darauf verständigen kann, bei "Knackpunkten" nächste Schritte zu gehen oder sich auf die Position verständigt, dass der "katholische Weg" hier keinen entsprechenden Spielraum lässt.
Interessant ist meiner Ansicht nach, dass Kardinal Marx in Lingen auch angekündigt hat, am Ende dieses Prozesses einen Brief nach Rom zu schreiben. Offensichtlich hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wie alle anderen deutschen Bischöfe nun selber erst einmal Post aus dem Vatikan bekommen. Das ist doch eine interessante Wendung. Wir werden schauen, wie das weitergeht.
Das Interview führte Dagmar Peters.