Spätestens mit der Veröffentlichung des Kölner Gutachtens zum Umgang der Verantwortlichen mit Missbrauchsfällen tauchte die Frage nach der Unabhängigkeit der beauftragten Gremien wieder auf. Dazu zählen auch die unabhängigen Aufarbeitungskommissionen, die nach und nach in allen Bistümern eingesetzt werden sollen. Nun werden erneut - vor allem von Betroffenen - Rufe laut, eine vom Parlament eingesetzte Kommission einzuberufen, um Missbrauch aufzuarbeiten.
Auch bei einer jüngst stattgefundenen Online-Veranstaltung des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (ipa) in der Grafschaft Lantershofen im Bistum Trier war ein solches Gremium Thema. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, sprach mit Blick auf die im vergangenen Jahr geschlossene gemeinsame Erklärung zur strukturellen Aufarbeitung von Missbrauch vom "zweitbesten Weg". Der beste Weg sei möglicherweise doch ein von der Politik initiiertes Gremium, das sich um die Aufarbeitung kümmere. Allerdings, so schränkte Ackermann zugleich ein, sei dieser Weg unrealistisch, da ihn die Politik nicht mittrage.
Parlamentarier in der Verantwortung?
Nun kommt möglicherweise doch Bewegung in die Debatte zum weiteren Verfahren. Denn noch am Tag der Veröffentlichung des Kölner Gutachtens äußerte sich der Religionsbeauftragte der SPD-Fraktion im Bundestag, Lars Castellucci. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er, er sehe "uns Parlamentarier in der Verantwortung".
Sein Vorschlag: eine parlamentarische Begleitung des Aufarbeitungsprozesses. Informell habe diese bereits begonnen. So hatte sich der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, mit Kirchenvertretern und Betroffenen sowie mit den Religionsbeauftragten der Fraktionen (außer der AfD) im vergangenen September getroffen, Anfang des Jahres hatte Castellucci zu einem weiteren Treffen die Religionsbeauftragten der Fraktionen eingeladen.
Castellucci meinte weiter, eine solche "Begleitung" wäre ein "Beitrag, den sozialen Frieden im Land zu sichern". Sie müsse neben den Kirchen auch andere betroffene gesellschaftliche Bereiche in den Blick nehmen. Wie eine solche Begleitung konkret aussehen könnte, lässt er allerdings offen.
Rörig, der als Teilnehmer ebenfalls bei der ipa-Veranstaltung war, fordert schon seit langem eine stärkere Beteiligung des Parlaments an der Aufarbeitung von Missbrauch. So plädiert er dafür, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin - Rörig legt sein Amt zum Ende der Legislaturperiode nach zehn Jahren nieder - eine gesetzliche Berichtspflicht gegenüber dem Parlament, der Bundesregierung und dem Bundesrat erhalten solle.
Parlamentarisches Begleitgremium?
Damit könnten dann auch wichtige Ergebnisse der Berichte der unabhängigen Aufarbeitungskommissionen in den Bistümern an das Parlament, die Bundesregierung und den Bundesrat berichtet werden, so Rörig. Er könne sich auch vorstellen, dass der Bundestag ein parlamentarisches Begleitgremium beruft, das sich mit allen Fragen zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und seinen Folgen sowie der Aufarbeitung in allen Tatkontexten beschäftigt.
Zugleich hob Rörig noch einmal die Bedeutung der gemeinsamen Erklärung hervor, die Ackermann als den "zweitbesten Weg" bezeichnet hatte. Damit gäben die Bischöfe die Steuerung für die Aufarbeitung in ihrem Bistum aus der Hand, ohne dass sie aus ihrer Verantwortung entlassen würden. Ein wichtiges Kernstück dieser Vereinbarung sei es, dass die unabhängigen Aufarbeitungskommissionen in den Bistümern verpflichtet würden, jährliche Berichte vorzulegen und zu veröffentlichen.
Er, Rörig, werde dazu auch jeweils öffentlich Stellung beziehen, wenn dies geboten erscheine. Bislang ist die katholische Kirche die einzige Institution, die eine solche Erklärung vereinbart hat. Rörig betonte, die entsprechenden Vereinbarungen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und mit den katholischen Orden befänden sich aber in der finalen Phase der Verhandlungen.