Pater Anselm Grün fordert mehr Vertrauen in die Politik

"Politik kann vom Christentum lernen"

Der Autor und Pater Anselm Grün fordert die Politiker zu mehr Vertrauen auf. In der Politik "stellen wir bei jedem Fehler gleich die Vertrauensfrage. Das ist nicht nur unbarmherzig, sondern verleitet auch dazu, Fehler zu leugnen", sagte der Benediktinerpater.

Pater Anselm Grün (KNA)
Pater Anselm Grün / ( KNA )

Grün äußerte sich in der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag) in einem Gespräch mit dem ehemalige Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider über die Vertrauenskrise in Politik und Kirche. "Jeder Fehler eines Politikers kann ihn den Kopf kosten, und der politische Mitbewerber gilt als Feind, der niedergemacht werden muss." Im derzeitigen Klima sei die Machtfrage so dominant, dass sie das politische Miteinander gefährde.

"Ich verstehe schon, dass manche Menschen in unserem Land wütend sind, weil sie sich nicht gesehen fühlen. Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn Schwache noch Schwächere treten", so der Benediktinermönch. Das Schlechtreden anderer sei ein Ablenken von sich selbst. Er selbst halte "Distanz zur Empörungskultur, weil ich merke, sie tut mir nicht gut".

"Mut haben, hinabzusteigen"

Grün ergänzte: "Die Politik kann vom Christentum schon noch lernen." Gott habe gezeigt, dass niemand alleingelassen sei. "Deshalb sollten wir selber Mut haben, hinabzusteigen in die Abgründe und die Not."

Grün ist einer der bekanntesten spirituellen Autoren Deutschlands. Er lebt als Benediktinermönch in der bayerischen Abtei Münsterschwarzach und hat mehr als 200 Bücher geschrieben, darunter viele zum Thema Vertrauen. Sein neuestes Buch "Von der verwandelnden Kraft negativer Gefühle" ist gerade im Vier-Türme-Verlag erschienen.

Kritik am Umgang mit Missbrauchsopfern

Grüns Gesprächspartner, der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Schneider kritisierte den Umgang seiner Kirche mit Missbrauchsopfern. "Viel zu oft hat meine Kirche den Opfern misstraut und verharmlost, was Betroffene ihr anvertrauten. Interessengeleitetes Misstrauen stand der Wahrheit im Weg", sagte Schneider.

Seine eigene Erfahrung mit Missbrauchsopfern in der evangelischen Kirche sei: "Sie brauchen ein Gegenüber, das ihnen ihre Leidensgeschichte glaubt." Schneider sagt weiter: "Wir brauchen Gesten der Wiedergutmachung", und eine "materielle Geste kann ein bleibendes Eingeständnis der Wahrheit sein".

"Nicht gleich richten und bewerten"

Grün erklärte mit Blick auf sexuellen Missbrauch, dass er als Seelsorger bemüht sei, Täter nicht gleich zu richten und zu bewerten. Dennoch: "Ich möchte zwar nicht jedem Beschuldigten mit Misstrauen begegnen, aber ich vertraue auch nicht mehr von vornherein jeder Aussage", so der Pater aus der Abtei Münsterschwarzach. Grün fügte hinzu, wenn das Beichtgeheimnis von einem Straftäter ausgenutzt würde, würde er darauf drängen, dass er sich auch extern offenbare. "Oder ich würde ihn nicht mehr begleiten."

Auszahlungen an Missbrauchsopfer

Unterdessen teilte die evangelisch-lutherische Landeskirche in Bayern mit, sie habe bisher 439.400 Euro an Missbrauchsopfer ausgezahlt. Eine unabhängige Kommission, bestehend aus fünf Personen, habe bisher 23 Fälle entschieden, ein weiterer Fall sei in Bearbeitung, teilte die Landeskirche am Mittwoch in München mit.

Voraussetzung sei, dass die Betroffenen bei der Tat minderjährig gewesen und strafrechtliche Ansprüche verjährt seien, sagte die Ansprechpartnerin Barbara Pühl auf Anfrage. Die finanzielle Anerkennung werde für jeden Fall einzeln entschieden. Die Landeskirche habe bewusst darauf verzichtet, einen Höchstbetrag festzusetzen.


Nikolaus Schneider / © Norbert Neetz (epd)
Nikolaus Schneider / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA