Pax Christi verteidigt Ostermärsche

"Haben heftigen Gegenwind gespürt"

Die Ostermärsche stehen auch in diesem Jahr im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Innerhalb der Friedensbewegung gebe es aber auch vermehrt Kritik an den Märschen, angesichts der Haltung gegenüber der NATO, sagt Gerold König von Pax Christi.

Anhänger der Friedensbewegung ziehen beim Ostermarsch durch München / © Matthias Balk (dpa)
Anhänger der Friedensbewegung ziehen beim Ostermarsch durch München / © Matthias Balk ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im vergangenen Jahr gab es auch in der Bevölkerung einen großen Konsens, dass Deutschland der Ukraine mit Waffen aushelfen müsse. Welchen Gegenwind haben Sie da als Friedensbewegung gespürt?

Gerold König (Bundesvorsitzende der katholischen Friedensbewegung Pax Christi): Wir standen von Anfang an vor dem Dilemma: Pazifismus versus Waffenlieferungen. Wir haben einerseits das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine gesehen nach diesem Angriffskrieg und haben auch gesehen, dass man der Ukraine helfen muss, damit sie nicht von der Landkarte ausgelöscht wird.

Andererseits gab es natürlich in unserer Bewegung selbst die Stimmen nach dem Pazifismus. Wir haben in Gesprächen mit der Bevölkerung ziemlich heftigen Gegenwind gespürt, weil da die Bevölkerung sehr stark für Waffenlieferungen war. Hinterher war es so, dass auf der Straße die Leute mehr über Waffen und Panzer und die Glieder der Kette an einem Panzer wussten als mancher Waffenexperte.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es wieder vermehrt Stimmen, die für ein entschiedenes Eintreten der Bundesregierung für Friedensgespräche werben. Aber wie soll die Bundesregierung das angehen? Was meinen Sie?

Gerold König

"Für uns bedeutet das, so denke ich, dass wir als Bevölkerung ja auch Frieden vorbereiten müssen."

König: Wir brauchen Friedensgespräche. Wir sind der Meinung, dass es nicht mehr darum gehen kann, jetzt noch schnellere, größere und stärkere Waffen wie Flugzeuge, Flugabwehrraketen und vieles mehr zu liefern. Sondern es muss der Weg der Diplomatie und der Verhandlungen eingegangen werden.

Der Bundeskanzler und seine Bundesregierung muss auf Putin zugehen, muss auf die Verbündeten Putins zugehen und muss Verhandlungen einfordern beziehungsweise über Verbündete Putins Verhandlungen mit einfordern. Das muss unbedingt und unabdingbar passieren.

Für uns bedeutet das, so denke ich, dass wir als Bevölkerung ja auch Frieden vorbereiten müssen. Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten und auch wir müssen uns aufstellen, vermehrt zivile Friedensfachkräfte einfordern und solche Dinge, die wir auch wirklich tun können.

DOMRADIO.DE: Haben Sie Sorge, dass Zugeständnisse an Russland möglicherweise als Zeichen der Schwäche des Westens falsch verstanden werden könnten?

Gerold König

"Was man dann im Laufe der Zeit an Zugeständnissen macht, darüber würde ich im Moment noch gar nicht reden wollen."

König: Ich würde nicht immer gleich von Zugeständnissen sprechen, sondern würde erst mal davon sprechen, dass es ein Angriffskrieg Putins war, der unrechtmäßig war, der völkerrechtsmäßig gegen alles verstoßen hat. Von daher geht es erst mal gar nicht darum, Zugeständnisse zu machen und schon Auswege zu suchen, sondern das Territorium der Ukraine muss Territorium der Ukraine in vollem Umfang bleiben. Auch die Gebiete vor dem Einmarsch, wie der Donbass und wie die Krim, gehören zum Gebiet der Ukraine und müssen erst mal in die Verhandlungen eingeworfen werden.

Was man dann im Laufe der Zeit an Zugeständnissen macht, darüber würde ich im Moment noch gar nicht reden wollen. Zunächst mal geht es darum, einem Rädelsführer, einem Kriegstreiber deutlich zu machen, dass es so nicht geht und er wieder zurück muss und das Territorium räumen muss. Alles andere kommt im zweiten Schritt.

DOMRADIO.DE: Im Kalten Krieg und auch heute wieder hält der atomare Schrecken die Großmächte davon ab, in einen heißen Krieg einzusteigen. Müssen auch Friedensaktivisten einsehen, so paradox es auch scheinen mag, dass letztendlich diese gemeinsame Angst vor einem nuklearen Inferno einen heißen Krieg heute verhindern kann.

König: Angst ist immer der schlechteste Berater, den es gibt. Ich glaube, dass wir als Friedensbewegung und auch als Bürgerinnen und Bürger eintreten müssen für eine Welt ohne Atomwaffen. Ja, wir haben Angst, auch ich habe Angst vor einem Atomangriff, weil das das Ende bedeutet, das Inferno, das absolute Ende.

Dennoch müssen wir dafür eintreten, dass wir dem Atomwaffenverbots-Vertrag beitreten, dass wir die Atomraketen aus Büchel entfernen und dann mit gutem Beispiel vorangehen. Wir brauchen keine Atomwaffen, Wir brauchen keine  Bedrohungsszenarien. Wir müssen uns einsetzen für einen dauerhaften Frieden. Dazu gehört auch die Abrüstung und das heißt auch dem Atomwaffenverbots-Vertrag beitreten somit auch die Ängste nehmen. Kein Mensch weiß, warum die Bundesrepublik das bisher noch nicht getan hat.

Das Interview führte Michelle Olion.

Ostermärsche

Die Ostermärsche der Friedensbewegung entstanden Ende der 50er Jahre in Großbritannien. Den ersten Ostermarsch in der Bundesrepublik Deutschland gab es 1960 in der Lüneburger Heide. Damals demonstrierten einige hundert Menschen gegen die deutsche Wiederbewaffnung und eine Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen.

Ein Ostermarsch zieht durch Berlin-Kreuzberg  / © Christoph Soeder (dpa)
Ein Ostermarsch zieht durch Berlin-Kreuzberg / © Christoph Soeder ( dpa )
Quelle:
DR