Pfarrer Frings findet Bild des "guten Hirten" unzeitgemäß

"Stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein"

Das Bild eines Priesters als guter Hirte ist nach Ansicht von Thomas Frings längst überholt. Im Interview kritisiert der Kölner Pastor, dass es Priester idealisiere, die außerhalb des Sakramentalen besser "ganz normal" sein sollten.

Hirtenstab eines Bischofs / © Harald Oppitz (KNA)
Hirtenstab eines Bischofs / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist das Priesterbild im Alltag heute ein anderes als es früher war? 

Thomas Frings (Pfarrer und Pfarrvikar in der Kölner Innenstadt): Das hängt natürlich ein bisschen von dem Priester ab, den Sie fragen, und von der Gemeinde, die auf ihren Priester schaut. Es wird immer noch welche geben, die gerne auf dem Sockel leben und das Besondere, das Herausgehobene wollen – und auch manche Gemeinden damit wahrscheinlich immer noch ganz zufrieden sind. Ich stehe nicht mehr dahinter. 

Thomas Frings (privat)

DOMRADIO.DE: Aber ist denn generell das Bild des Hirten noch zeitgemäß? 

Frings: Das Bild des Hirten ist ein gutes Bild. Aber es ganz auf den Priester und Bischof zu projizieren funktioniert nicht mehr, weil wir immer weniger haben und dieses Bild überstrapaziert wurde. Auf Christus bezogen ist es ein richtiges Bild: ER ist der Hirte und nicht alle Priester und Bischöfe sind die Hirten. 

DOMRADIO.DE: Jetzt ist es eigentlich die Aufgabe eines Hirten, die Herde auch zu leiten, zu führen. Viele wollen sich aber nicht mehr leiten lassen und treten aus. Finden Sie, dass ein Hirte im Sinne eines Pfarrers oder Bischofs die Aufgabe hat, zu versuchen, die Schäfchen wieder in die Herde zurück zu leiten? 

Thomas Frings, Pfarrer und Pfarrvikar in der Kölner Innenstadt

"In meinen Kindheitstagen waren Sie in Deutschland entweder katholisch, evangelisch oder komisch, weil über 95 Prozent katholisch oder evangelisch waren."

Frings: Das ist natürlich ein Bild einer Volkskirche. Damals stimmte es. In meinen Kindheitstagen waren Sie in Deutschland entweder katholisch, evangelisch oder komisch, weil über 95 Prozent katholisch oder evangelisch waren. Da gab es diese eine Herde und den einen Hirten in einer Pfarrgemeinde oder den Bischof oder den Landesbischof. Und dann war das stimmig. Aber wir wissen doch inzwischen, dass über 50 Prozent aller Deutschen nicht mehr einer Kirche angehören. Die sind eine Minderheit geworden. Und dann können wir dieses Bild nicht einfach weiter so führen. Das heißt, was ist mit den ganzen Rest der Menschen, der jetzt nicht mehr dazugehört? Das Hirtenbild und Herdenbild stimmt nicht mehr überein mit der Wirklichkeit. 

DOMRADIO.DE: Hätten Sie denn ein alternatives Bild? 

Frings: Nein, ich würde das Bild gerne festhalten, denn es ist ja ein von Christus eingesetztes Bild und das ist immer dann stimmig, wenn Christus der Hirte ist – und wenn alle zu seiner Herde gehören und nicht innerhalb der Herde noch mit einer Hierarchie geherrscht wird. Daran hat das vielleicht auch gekrankt. Jetzt und wird deutlich, dass das so nicht mehr trägt. 

DOMRADIO.DE: Und welches wäre dann Ihr Bild für den Pfarrer, für den Bischof? 

Frings: Der geht nicht vorne weg und hinterher. Ein Wort, das sicherlich längst schon bald überstrapaziert ist das "auf Augenhöhe sein". Der Priester hat eine Aufgabe – nämlich im sakramentalen Bereich tätig zu sein. Das heißt, in dem Moment leitet er, in dem Moment ist er jemand, der etwas ganz Besonderes tut. Aber wenn er aus diesem Sakramentalen herausgeht, dann muss er nicht wieder etwas Besonderes sein. Dann kann er auch wieder ganz normal sein, wie alle anderen auch. Um dahin zu kommen müssen wir, glaube ich, viel mehr lernen: Dass es im Sakramentalen immer etwas Besonderes gibt, aber außerhalb darf er auch ganz normal sein. 

Thomas Frings, Pfarrer und Pfarrvikar in der Kölner Innenstadt

"Aber wenn er (der Priester) aus dem Sakramentalen herausgeht, kann er auch wieder ganz normal sein."

DOMRADIO.DE: Dieser Sonntag ist Weltgebetstag um geistliche Berufungen. Es wird dafür gebetet, dass Menschen ihrer Berufung folgen und den Weg einschlagen, ihren Mitmenschen durch die Kirche zu dienen. Worauf sollten denn Menschen achten, die dieser Berufung folgen und Priester werden wollen? 

Frings: Dienen. Dass den Menschen wirklich gedient wird und das kann sehr unterschiedlich sein. Ich habe gerade gestern und vorgestern eine Trauung gehabt. Daran bin ich sakramental beteiligt. Da hatte ich eine Kirche voller junger Menschen. Und da kann es ein Dienst sein, in dieser Feier dem Hochzeitspaar zu dienen und es durch diese Feier zu geleiten. Es kann aber auch ein Predigtdienst sein, den Menschen etwas so zu erklären und nahezubringen, wo Gott sein kann. Mir macht das große Freude und ich habe gemerkt, wie aufmerksam die jungen Leute gestern zugehört haben. Wenn die sonst nicht darüber nachdenken, was in ihrem Leben sinnvoll sein könnte, wo Gott gegenwärtig sein könnte in einer säkularen Welt, dann ist das ein Dienst. Der kann aber auch ganz stark im Karitativen sein. Dienen ist überall möglich. Überall, wo Menschen sind, ist Dienst möglich. 

DOMRADIO.DE: Also wenn ich Sie richtig verstehe, auch wenn das Bild des Hirten vielleicht nicht mehr ganz passt, raten Sie trotzdem auch jungen Männern, die mit dem Gedanken spielen, Priester zu werden, diesem Ruf zu folgen, weil es immer noch ein schöner Beruf ist?

Frings: Die Antwort gebe ich von hinten. Nächsten Monat beginnt mein 36. Jahr als Priester. Ich finde es toll. Ich bin immer noch mit Begeisterung Priester, auch wenn sich mein Priesterbild über die Jahrzehnte durch die Praxis geändert hat. Das, was es im Wesentlichen für mich darstellt, ist immer noch etwas sehr Wunderbares. Ich tue es mit Leidenschaft und Begeisterung. Wenn aber heute jemand kommt und sagt "Ich will Priester werden", dann muss ich tief Luft holen und denke "In welche Welt hinein wirst du Priester?" Wenn einem das bewusst ist – und da kenne ich einige, die mit offenen Augen gehen, die eben nicht Priester werden, damit es wieder so wird, wie es mal war, sondern die in die Zukunft blicken – dann wünsche ich denen alles Gute und das wird gut gehen. Macht das! 

Das Interview führte Heike Sicconi. 

Weltgebetstag um geistliche Berufungen

Der Weltgebetstag um geistliche Berufungen wird jedes Jahr am vierten Ostersonntag begangen, dieses Jahr (2024) am 21. April. Er steht unter dem Leitwort: "Berufen, Hoffnung zu säen und Frieden zu schaffen". Der Weltgebetstag um geistliche Berufungen wurde 1964 von Papst Paul VI. eingeführt. Er will zu einer tiefen Erneuerung des Glaubens und der Kirche beitragen, indem darum gebetet wird, dass Gott die Menschen sende, die dazu bereit sind, mit Hingabe das Evangelium zu verkünden. (Quelle: Zentrum für Berufungspastoral/DR)

Eine Frau im Gebet / © Jantanee Runpranomkorn (shutterstock)
Eine Frau im Gebet / © Jantanee Runpranomkorn ( shutterstock )
Quelle:
DR
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