Pilgerexpertin bewertet Wohnmobil-Pilgern

"Viel findet im Kopf statt"

Pilger nutzen ihre Wohnmobile oft für spirituelle Abstecher, fahren nahegelegene Stätten an und erkunden die letzten Meter zu Fuß. Wohnmobil-Pilgern klingt verlockend, doch wie nahe kommt das an das echte Pilgern ran?

Autor/in:
Dagmar Peters
Wohnmobil auf dem Jakobsweg / © Andrei Armiagov (shutterstock)
Wohnmobil auf dem Jakobsweg / © Andrei Armiagov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Haben Sie selbst schon Wohnmobil-Plgern ausprobiert? 

Beate Steger (Pilgerexpertin und Autorin): Nicht wirklich. Ich nutze zwar mein Wohnmobil, das so alt ist, dass ich stets hoffe, dass es den nächsten Sommer übersteht, aber das nutze ich eher zum Erkunden für Pilgerwege, die ich selbst erstelle oder beschreibe. Doch richtig gepilgert, bin ich damit noch nicht. 

DOMRADIO.DE: Wenn jemand mit dem Wohnmobil pilgert, müsste die Strecke ein Rundweg sein, denn sonst muss das Wohnmobil entweder von jemandem zurückgefahren werden oder man müsste hin und wieder zurücklaufen. 

Steger: Das ist richtig, das wäre ziemlich schwierig. Man könnte öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um dorthin zurückzugehen, wo das Wohnmobil steht. Es braucht aber ziemlich viel Logistik. 

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

Was ich allerdings schon häufiger erlebt habe, was andere gemacht haben, war eine Busreise mit dem Wohnmobil. Also kein klassisches Pilgern, wenn man an das zu-Fuß-gehen oder Fahrradfahren denkt. Sondern die fahren mit dem Wohnmobil so nah wie möglich an der eigentlichen Pilgerstrecke den Jakobsweg ab. Aber das ist schwierig und nicht immer machbar. Die besuchen irgendwelche Stätten, die auf dieser Pilgerstrecke liegen, wie besondere Kirchen oder Schluchten. Da lassen sie das Wohnmobil stehen, laufen dorthin und gehen so den Pilgerweg. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, die holen sich mit kleinen Abstechern ihre Stempel ab?

Steger: Das ist so eine Sache. Es gibt eine Dokumentation in der ARD-Mediathek, die 45 Minuten lang geht und "Die Bleifuß-Pilger" heißt. Darin geht es um eine größere Gruppe von Rentnerinnen und Rentnern, die mit mehreren Wohnmobilen und auch Wohnwagen auf dem Jakobsweg, dem Camino Francés - also der Hauptstrecke in Spanien - unterwegs waren. 

Ein spanischer Pilgerpass des "Camino de la Cruz de Caravaca" / © Manuel Meyer/KNA (KNA)
Ein spanischer Pilgerpass des "Camino de la Cruz de Caravaca" / © Manuel Meyer/KNA ( KNA )

Die hatten ihre Fahrräder dabei. Vom Campingplatz in der Nähe von Saint-Jean-Pied-de-Port, wo der navarrische Jakobsweg startet, sind sie mit den Fahrrädern drei Kilometer zum Pilgerbüro geradelt, haben sich Pilger-Ausweise besorgt und mit viel gutem Zureden den ersten Stempel bekommen.

Was aber nicht funktioniert hat, ist, dass man in Santiago de Compostela die Pilgerurkunde bekommt, denn dazu muss man 100 Kilometer gelaufen sein oder mit dem Fahrrad 200 Kilometer zurücklegen. Das haben sie nicht geschafft. 

Beate Steger

"Viel findet im Kopf statt und die haben eben andere Erlebnisse gehabt."

DOMRADIO.DE: Das wäre zu viel gewesen, weil sie die letzten 100 Kilometer doch nicht zu Fuß gegangen sind? 

Steger: Nein, das haben sie nicht gemacht. Aber sie hatten gesagt, dass sie als Gruppe unheimlich zusammengewachsen sind und das Gefühl hatten, den Jakobsweg erspürt zu haben. 

Das glaube ich auch. Ich meine, viel findet im Kopf statt und die haben eben andere Erlebnisse gehabt. Wenn man in die Kirchen geht und Pilger auf der Strecke trifft, mit denen man ins Gespräch kommt, dann hat man solche Pilgererlebnisse gehabt. 

DOMRADIO.DE: Auf einem Campingplatz oder Wohnmobil-Stellplatz trifft man dann auch Gleichgesinnte, oder?

Steger: Auf jeden Fall. Ich hatte eine Art halbes Wohnmobil-Pilgern erlebt. Auf dem portugiesischen Jakobsweg war eine Frau aus den Niederlanden unterwegs. Sie ist die komplette 250 Kilometer von Porto nach Santiago gelaufen und ihr Mann hat sie mit dem Wohnmobil begleitet. 

Wohnmobil unterwegs / © Elena Yakusheva (shutterstock)

Er hat sie morgens immer wieder an der Stelle abgesetzt, wo sie am Tag zuvor aufgehört hatte und hat sie am Ende der Etappe wieder eingesammelt. Er hat auch manchmal für sie gekocht. Somit hatte sie ihre fahrbare Herberge mit dabei, in der sie übernachten konnte. 

DOMRADIO.DE: Persönliche Herberge mit Catering. 

Steger: Sozusagen, sie ist mit Feierabendbier empfangen worden. Wenn ich zur Herberge gegangen bin, bin ich manchmal an diesem Wohnmobil vorbeigelaufen, und habe gewusst, die Pilgerin mit Wohnmobil-Begleitung wird erwartet. 

Beate Steger

"Ich bin eine Verfechterin, dass man zumindest einige Nächte in den typischen Herbergen verbringt."

DOMRADIO.DE: Kann das jeder als Pilgern gelten lassen? 

Steger: Das frage ich mich ebenfalls. Diese Frau aus Holland auf dem portugiesischen Jakobsweg ist mir sehr einzelgängerisch vorgekommen. Tagsüber hatte sie zwar Kontakt zu anderen Pilgerinnen und Pilgern, gerade dort, wo man in einem Cafe einkehrt oder eine Pause macht. Allerdings hatte sie nicht diese gemeinsamen Übernachtungserlebnisse in Herbergen. Jedoch hat man die auch nicht, wenn man nur in Hotels und Pensionen geht und den Herbergen überhaupt keine Chance gibt. 

Ich bin eine Verfechterin, dass man zumindest einige Nächte in den typischen Herbergen verbringt. Das hat ihr komplett gefehlt. Wenn man nur mit dem Wohnmobil unterwegs ist, ist das Pilgern sowieso etwas anderes. Das ist beim Busfahren genauso. Aber wie gesagt, dennoch kann es spirituelle, religiöse Erlebnisse beinhalten. 

DOMRADIO.DE: Aber im November könnte man im Wohnmobil an seine Grenzen kommen. 

Steger: Auf jeden Fall. Man braucht eine Heizung, gerade, wenn man sich Nordspanien anschaut. Da regnet es ziemlich viel und es ist windig. Gemütlich ist es bestimmt nicht. 

DOMRADIO.DE: Pilgern kann man ebenfalls in der eigenen Heimat. Ist das im November eher angesagt? 

Steger: Das kann man machen oder man plant virtuell vor und freut sich darauf. Zudem kann man Nach-Pilgern. Heißt, wenn man schon Pilgern war, das nochmal nachzuerleben, indem man jeden Tag einen Tagebucheintrag liest und sich so vorbereiten, bis das Wetter wieder besser wird. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR