Pilgerexpertin erklärt Bedeutung des Handys beim Pilgern

Geht es überhaupt noch ohne?

Beim Pilgern kann das Handy ein praktischer Begleiter sein, zum Beispiel zur Navigation. Aber kann es auch zu sehr ablenken? Pilgerexpertin Beate Steger erklärt, warum sie das Handy unpraktisch findet und es trotzdem immer dabei hat.

Symbolbild Pilgern mit Handy? / © Aleksey Matrenin (shutterstock)
Symbolbild Pilgern mit Handy? / © Aleksey Matrenin ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Stimmt es, dass man ohne QR-Code in Santiago de Compostela gar nicht mehr ins Pilgerbüro kommt? Muss man das Handy also dabei haben, wenn man da hin will?

Das Handy kann ein praktischer Begleiter beim Pilgern sein, aber es kann auch ablenken / © Artie Medvedev (shutterstock)
Das Handy kann ein praktischer Begleiter beim Pilgern sein, aber es kann auch ablenken / © Artie Medvedev ( shutterstock )

Beate Steger (Autorin, Fotografin und Pilgerexpertin):

Es geht wohl auch noch ohne, aber es ist ein bisschen komplizierter. Mithilfe eines QR-Codes bekommt man vom Pilgerbüro eine Nummer zugeteilt, mit der man die Compostela (Pilgerurkunde, Anm. d. Red.) abholen kann. Ich muss also nicht vor dem Pilgerbüro stehen bleiben, sondern sehe, wieviele Nummern (Menschen) noch vor mir dran sind. Das Ganze verwundert auch nicht. Im letzten Jahr waren es fast 450.000 Pilger, die in Santiago angekommen sind und berechtigt waren, die Compostela zu bekommen. Wenn man das mal auf die Tage umrechnet, wird einem ganz schwindelig.

Man kann aber auch ohne Handy an die Compostela kommen. Allerdings muss man dann bei den Mitarbeitern des Pilgerbüros vorbeigehen, damit man an die Nummer kommt. Das ist schon etwas zeitaufwändiger.

DOMRADIO.DE: Aber machen sich dann nicht auch viele Menschen Druck, um rechtzeitig anzukommen?

Beate Steger

"Die haben ja auch nur begrenzte Kapazitäten, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Compostela aushändigen."

Steger: Das kann durchaus sein, gerade in den Sommermonaten, wo ja bekannterweise auch die Spanier am meisten pilgern. Die sind vielleicht noch besser an die Hitze gewöhnt. Da kommen 3.000 bis 4.000 Leute am Tag in das Pilgerbüro.Da wird die Sache natürlich schon sehr eng.

Die haben auch nur begrenzte Kapazitäten, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Compostela aushändigen. Die wird mittlerweile auch nicht mehr von Hand ausgefüllt, die sind mittlerweile auch nur noch ausgedruckt, weil das gar nicht mehr zu machen ist.

DOMRADIO.DE: In Santiago de Compostela gibt es auch die Möglichkeit, die Pilgerurkunde zu erhalten, wenn man nur die letzten 100 Kilometer läuft, oder?

Steger: Ja. Es wird aber schon seit Jahren darüber nachgedacht, diese Distanz zu verlängern. Bisher ist es so, dass man für die letzten 100 Kilometer zu Fuß mit dem Pferd, Esel oder nichtmotorisierten Rollstuhl eine Compostela bekommt. Wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist, dann sind es die letzten 200 Kilometer.

Da es immer mehr Menschen gibt, die die Compostela haben möchten und deshalb die letzten 100 Kilometer in Angriff nehmen, was ungefähr fünf Pilgertagen entspricht, ist man jetzt kurz davor, die geforderten Strecken zu verlängern. Dann würde es erst für die letzten 300 Kilometer zu Fuß und vielleicht sogar für insgesamt 600 Kilometer mit dem Fahrrad die Compostela geben.

Das würde allerdings bedeuten, dass zwei sehr beliebte Jakobswege in Spanien rausfallen würden. Das ist zum einen der rund 250 Kilometer lange portugiesische Jakobsweg, bei dem man in Porto los läuft und zum anderen der 110 Kilometer lange Camino Ingles, der englische Weg von der Küste im Norden runter. Die würden dann nicht mehr zum Erhalt der Compostela führen.

Beate Steger

"Ich schwöre am liebsten immer noch auf das gute Stück Papier."

DOMRADIO.DE: Es gibt inzwischen jede Menge Pilgerapps, zum Beispiel als Ersatz für Pilgerführer. Haben Sie das schon genutzt und sind diese Pilgerführer brauchbar?

Steger: Ich habe die schon ausprobiert, weil ich sehen wollte, wie die funktionieren. Es gibt zum Beispiel die App "Buen Camino". Die kann man kostenlos nutzen oder eine Spende geben, wenn man mit der App zufrieden ist. Aber ich scheue mich ehrlich gesagt davor, denn der Akku läuft auch ziemlich schnell leer. Dann muss ich noch eine Powerbank dabei haben, damit ich die Stromversorgung garantieren kann.

Ich schwöre immer noch auf das gute Stück Papier. Ich habe immer einen Pilgerführer in Papierform dabei, denn wenn ich in Herbergen übernachte, ist es oft so, dass ich nur zwei oder drei Steckdosen habe und irgendwo muss ich ja mein Handy wieder aufladen.

Es gibt mittlerweile auch Solarpanelen, die man an den Rucksack hängen kann, sodass man, wenn man Sonne scheint, an Strom kommt. Aber ich finde die Abhängigkeit von der Technik dabei schon zu groß.

DOMRADIO.DE: Aber diese Apps zur Navigation könnten auch hilfreich sein. Wie ist die Erfahrung bei der Navigation mit GPS Tracks? 

Beate Steger

"Ich mache es nicht so, dass ich ausschließlich damit unterwegs bin."

Steger: Das frisst auch viel vom Akku. Es ist aber schon nicht schlecht. Für die deutschsprachigen Jakobswege stellen wir auf meiner Internetseite alle GPS-Tracks für die 30 Hauptwege der Jakobswege in Deutschland kostenlos zur Verfügung. Gerade da fehlt oft mal ein Muschelzeichen. Die sind auch begehrte Souvenirs.

Da ist so eine Möglichkeit schon ganz in Ordnung. Ich mache es selber so: Ich habe den Track schon auf dem Handy dabei und kann es notfalls einschalten und mich orientieren, wenn ich mich total verfranst habe, wenn ich gar nicht mehr weiß, wo es langgeht und mir mein Pilgerführer auch nicht mehr helfen kann. Aber ich mache es nicht so, dass ich ausschließlich damit unterwegs bin.

DOMRADIO.DE: Wie hoch ist denn die Versuchung, private Nachrichten zu beantworten und am Abend nach dem Pilgern vielleicht noch Fotos an Freunde zu verschicken?

Steger: Die Versuchung ist hoch. Ich frage mich manchmal, ob das Leben überhaupt noch ohne Handy geht. Die Versuchung ist riesig.

DOMRADIO.DE: Wie stark würden Sie das Handy denn beim Pilgern einbinden?

Steger: Es ist schön, wenn man zumindest stückweise alleine geht und dabei schweigend geht, auch wenn man mit jemandem zusammen ist. So würde ich das auch mit dem Handy machen. So mache ich es auch selber.

Ich habe es teilweise aus. Dann gibt es auch keine Versuchung. Ich gehe einfach nur, bin nur mit mir und mit Gott unterwegs. Und wenn ich es dann brauche, kann ich es immer noch einschalten.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR