DOMRADIO.DE: Die Reisewarnung wurde aufgehoben. Wie ist die Situation bei Ihnen vor Ort? Spüren Sie etwas von Normalität?
Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Pilgerhauses Tabgha am See Genezareth): Vor Ort fühlt es sich schon seit dem Waffenstillstand wieder ganz anders an. Wir haben keine Flieger mehr in der Luft und keinen Raketenalarm. Am See wirkt es friedlicher denn je, gerade weil bisher noch wenige Besucherinnen und Besucher da sind. Die heiligen Stätten sind leer, ohne Gedränge. Wenn man nur nach draußen schaut, sieht es unglaublich friedlich aus.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet die Aufhebung der Reisewarnung für Pilgerreisen zu Ihnen ganz konkret?
Röwekamp: Man muss gerechterweise sagen, dass es noch die Warnung für die Grenzen im Norden und für die Gegend rund um den Gazastreifen gibt. Aber die wichtigsten Pilgerorte wie Jerusalem, Nazareth oder die Gegend um den See Genezareth können jetzt wieder besucht werden.
Veranstalter können wieder Reisen anbieten, das war vorher aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich. Es ist für uns eine große Erleichterung, vor allen Dingen für die Menschen, die im Tourismus arbeiten. Vielfach sind das Christinnen und Christen, die dadurch endlich wieder eine Verdienstmöglichkeit haben.
DOMRADIO.DE: Die ersten Menschen sind demnach schon da?
Röwekamp: Eine Gruppe, die ihre Planungen aufrechterhalten hat – immer in der Hoffnung, dass die Reisewarnung irgendwann fällt – ist vorgestern bei uns angekommen. Wir haben also eine deutsche Gruppe hier im Pilgerhaus zu Gast, was für uns eine große Freude ist. Die Gruppe fühlt sich sehr wohl.
DOMRADIO.DE: Wie sieht das mit anderen Pilgerzielen im Heiligen Land aus?
Röwekamp: Die warten auf die Rückkehr der Gäste, speziell auch aus Deutschland, wo es die Reisewarnung gab. Unser Paulushaus in Jerusalem, das direkt bei der Altstadt liegt, hat beschlossen, ein konkretes Programm für die Ostertage anzubieten, auch für Einzelgäste. Wer also begleitet zu bestimmten Gottesdiensten an bestimmte Orte gehen möchte, die man alleine nicht findet, der ist bei uns herzlich willkommen. Wir bieten diesen besonderen Service an.
DOMRADIO.DE: Womit rechnen Sie zu Ostern? Das große Comeback der Pilger nach der Kriegsflaute?
Röwekamp: Das große Comeback wird sicher noch auf sich warten lassen, weil Pilgerreisen der Gemeinden einen gewissen Vorlauf brauchen. Aber Einzelne werden sich sicher schon bald auf den Weg machen. Außerdem werden Gruppen kommen, die an ihren Planungen festgehalten haben.
Sie können dieses Jahr erleben, wie Ostern gleichzeitig von den Orthodoxen und von den Katholiken gefeiert wird. Das würde normalerweise zu einer Überfüllung der Altstadt führen, was diesmal wohl nicht zu erwarten ist. Aber es wird wenigstens, so hoffen wir jedenfalls, wieder Leben in der Stadt sein.
DOMRADIO.DE: Welche wirtschaftlichen Folgen hatte das Ausbleiben der Gäste für das Pilgerhaus Tabka und für diejenigen, die vom Tourismus leben?
Röwekamp: Das war für alle eine schwierige Situation. Wir haben versucht, so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie möglich zu halten. Manche konnten wir aber nicht halten, die haben inzwischen teilweise eine andere Arbeit gefunden. Wenn jetzt die Pilger wiederkommen, möchten wir, dass sie Schritt für Schritt zurückkommen, denn sie gehören zur Seele unseres Hauses.
Aber man muss sagen, dass die Menschen in den palästinensischen Gebieten, wo es gar keine Arbeitslosenversicherung gibt, noch mehr gelitten haben. Die brauchen die Rückkehr der Touristen dringend.
DOMRADIO.DE: Für Sie persönlich brechen die letzten Tage am See Genezareth an, Sie gehen Ende März in den Ruhestand. Wie fühlen Sie sich damit?
Röwekamp: Das ist ein sehr zwiespältiges Gefühl. Auf der einen Seite waren es neun Jahre und ich freue mich auf die Rückkehr in die Heimat. Auf der anderen Seite ist dies ein besonderes Land, das ich schweren Herzens verlasse, gerade in diesen schwierigen Zeiten. Denn noch ist das Leid auf der einen wie auf der anderen Seite nicht vorbei, da fühlt es sich merkwürdig an, gerade jetzt zu gehen.
Das Interview führte Carsten Döpp.