"Polnische Juden fühlen sich heute in Polen nicht sicher", schreiben die Organisationen in ihrem am Montagabend veröffentlichten gemeinsamen Appell. Darin begrüßen sie, dass Staatspräsident Andrzej Duda, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und der Chef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, Antisemitismus verurteilt hätten.
Die mehr als 20 Organisationen betonen jedoch zulgeich: "Solange diesen Worten keine Taten folgen, klingen sie eher wie eine Erklärung der Ratlosigkeit gegenüber der Stigmatisierung." Anders als in der Vergangenheit und in vielen Ländern Europas werde Juden in Polen aktuell keine körperliche Gewalt angetan. Dennoch könne man die Lage nicht als normal bezeichnen.
Die Vertreter der jüdischen Organisationen drücken ihre "Empörung über das zunehmende Klima der Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und des Antisemitismus" aus. Hassparolen würden nicht mehr nur im Internet verbreitet, sondern auch von Medien, Abgeordneten und hohen Staatsbeamten.
"Gesetz schadet der freien Diskussion"
Die "derzeitige Welle des Antisemitismus" sei eine Antwort auf das umstrittene neue Holocaust-Gesetz, das es unter Strafe stellt, Polens Staat und Nation mit Verbrechen der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg in Verbindung zu bringen. Das Gesetz sei schlecht geschrieben und schade der freien Diskussion über die Geschichte.
Wenn die Regierung und das Parlament den Ausdruck "polnisches Konzentrationslager" bestrafen wollten, dann müssten sie auch gegen Intoleranz und Hass einschreiten, mahnen die Autoren. Bisher fehler der politische Wille, diese Feindseligkeiten zu bekämpfen. "Wir erwarten, dass das geschieht," so der Appell.
Solidarität mit Diskriminierten
Die jüdischen Organisationen solidarisieren sich zugleich mit allen Personen in Polen, die angefeindet und diskriminiert würden: "Roma, Muslime, Flüchtlinge, Schwarze, Ukrainer, Mitglieder weiterer ethnischer, religiöser oder sexueller Minderheiten". "Wir fühlen Ärger und Scham, dass es in unserem gemeinsamen Land irgendjemanden trifft", heißt es in dem Text. Man sei bereit, mit den Betroffenen und ihren Organisationen zusammenzuarbeiten, "um sich dem Bösen entgegenzustellen".
Unterzeichnet ist die Erklärung von mehr als 20 jüdischen Organisationen in Polen, darunter der Dachverband der jüdischen Gemeinden und das Jüdische Historische Institut Warschau.