Ethikerin Woopen übt Kritik an Grundrechtedebatte

Politik reagiert viel zu spät

Die Medizinethikerin Christiane Woopen sieht Versäumnisse der Politik bei der Rückgewinnung von Freiheiten für Genesene, voll Geimpfte und Getestete. Für sie kommt diese jüngst in Spiel gebrachte Diskussion eindeutig zu spät auf.

Impfzentrum / © Michael Kappeler (dpa)
Impfzentrum / © Michael Kappeler ( dpa )

"Wenn es jetzt wirklich auf den Grundrechteschutz des einzelnen in dieser Schärfe ankommt, wie es derzeit angesprochen wird, dann hätten wir schon seit über einem Jahr ganz andere Debatten führen müssen", sagte sie im "ARD-Morgenmagazin" (Montag). Hier gebe es "schwierige Abwägungen", so die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates.

Neid-Debatte

Die Öffnung von Freiheiten für bestimmte Gruppen bedinge eine "Ungerechtigkeit", gab Woopen zu bedenken. "Wenn jetzt diese Debatte unter dem Stichwort Neid geführt wird, dann ist das irreführend." Es gehe nicht darum, dass der Einzelne aufgefordert sei, nicht neidisch zu sein; fast alle Menschen hierzulande gönnten anderen bestimmte Dinge, so die Medizinethikerin. Vielmehr liege es in der Verantwortung der Politik, allen Menschen zu ermöglichen, ihre Grundrechte wieder auszuüben.

So müsse schon jetzt in den Blick genommen werden, dass die inzwischen Geimpften irgendwann neuen Impfschutz brauchten. Das könne sich überlappen mit jenen, die noch nicht vollständig geimpft sind. "Dafür würde ich der Politik anraten, dringend eine Strategie zu entwickeln", sagte Woopen.

Auch Menschen, die einen negativen PCR-Test vorlegen könnten, müssten für die Zeit seiner Geltung die gleichen Freiheiten erhalten wie Geimpfte oder Genesene. Dabei verwies sie auf Probleme mancher Covid-19-Genesener, die nach mehr als sechs Monaten noch so hohe Antikörper aufweisen, dass ihnen Ärzte von einer Impfung abraten:

Epidemische Lage nationaler Tragweite

"Die fallen in ein Loch", so Woopen. "Die gelten nicht mehr als die Bevorteilten, haben aber auch keinen Zugang zu einer Impfung, weil sie durch ihre eigenen Antikörper dafür nicht in Frage kommen. Da gibt es noch sehr viel Bedarf an Nachjustierung", sagte die Wissenschaftlerin.

Derzeit bestehe noch "eine epidemische Lage nationaler Tragweite", bei der der Staat in bestimmte Rechte eingreifen könne. Um aus dieser Situation herauszukommen, gebe es ihrer Ansicht nach nur eine Möglichkeit: "Wir müssten die Inzidenzen jetzt wirklich runterkriegen, um dann für alle eine stabile Situation herzustellen", forderte Woopen.


Quelle:
KNA
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