Politiker Bosbach verteidigt Abschiebungen nach Afghanistan

"Führen nur in sichere Gebiete zurück"

Unter Protest sind 34 Afghanen in ihre Heimat abgeschoben worden. Nun ist eine Debatte entbrannt, ob das Land überhaupt sicher genug ist. "Wir führen nur Menschen in sichere Gebiete zurück", erklärt dazu CDU-Politiker Wolfgang Bosbach.

Im Flugzeug wurden die Abgeschobenen nach Afghanistan gebracht / © Boris Roessler (dpa)
Im Flugzeug wurden die Abgeschobenen nach Afghanistan gebracht / © Boris Roessler ( dpa )

domradio.de: Die Abschiebung der Flüchtlinge war erst der Anfang. Die Bundesregierung plant, tausende weitere afghanische Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zu schicken. Ist das in ihren Augen gerechtfertigt? Ist Afghanistan – oder sind zumindest Regionen des Landes – sicher?

Wolfgang Bosbach (Bundestagsabgeordneter und CDU-Innenexperte): Nicht ganz Afghanistan. Aber auch nicht ganz Afghanistan ist unsicher. Afghanistan ist ein sehr großes Land und die Sicherheitslage ist dort sehr unterschiedlich. Wir führen nur Menschen in sichere Gebiete zurück. Das heißt, wenn keine Gefahr für die betroffenen Personen vor Ort besteht. Wir kooperieren dabei mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

domradio.de: Nun sind einige der Asylbewerber, die abgeschoben wurden, in Deutschland straffällig geworden. Legitimiert das eine Ausweisung?

Bosbach: Die Ausweisung ist der Entzug der Aufenthaltserlaubnis. Die Abschiebung ist die Konsequenz der Ausweisung. Denn wenn wir sagen: "Wir entziehen das Aufenthaltsrecht, aber sie können trotzdem in Deutschland bleiben", dann macht das ja alles keinen Sinn. Denn diese sehr intensiven Anerkennungsverfahren dienen ja der Beantwortung der Frage: "Ist jemand schutzbedürftig oder nicht?" In allen Fällen ist rechtskräftig entschieden worden, dass es kein Bleiberecht in Deutschland gibt. Also ist die Rückführung die Konsequenz, sofern es keine Gründe gibt, die gegen eine Rückführung sprechen.

domradio.de: Heißt das, dass die Menschen straffällig geworden sind, spielt überhaupt keine Rolle?

Bosbach: Da werden viele sagen und ich würde das auch sagen: dann erst Recht! Denn wer nach Deutschland kommt, um hier ein neues, besseres Leben zu beginnen – aus welchen Gründen auch immer –, der sollte Deutschland als Aufenthaltsort betrachten, aber nicht als Tatort.

domradio.de: Auf der anderen Seite kündigt die Bundesregierung immer wieder an, mehr Menschen in ihre Heimatländer zurückzuführen. Doch von den Zahlen her hat man nicht den Eindruck, dass viele abgelehnte Asylbewerber Deutschland verlassen. Wie zahnlos ist die Abschiebepraxis in Deutschland und kann die Politik das ändern?

Bosbach: Also da müssen wir zwei Sachverhalte unterscheiden. Wir haben ja auch eine hohe Zahl von freiwilligen Ausreisen. Wir sollten nicht so tun, als wenn jeder abgelehnte Asylbewerber zwangsweise in die Heimat zurückgebracht werden würde. Wir sprechen hier von 34 Personen, die nach Afghanistan abgeschoben worden sind. 2.300 sind im vergangenen Jahr freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Richtig ist, dass die Praxis der Rückführung in den Bundesländern sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Richtig ist auch, dass in Deutschland über 50.000 Personen leben, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, Tendenz steigend. Wir haben erhebliche Mühe, die Ausreisepflicht durchzusetzen, weil wir in vielen Fällen weder die wahre Identität noch die wahre Nationalität kennen. Das ist so, weil in den letzten Monaten weit überwiegend Personen ohne Papiere eingereist sind.

domradio.de: Was für Möglichkeiten hat denn die Bundesrepublik, wenn die Menschen nicht freiwillig das Land wieder verlassen?

Bosbach: Wie gerade erwähnt: Ausweisung und Abschiebung. Allerdings haben wir das Problem, dass die Staaten völkerrechtlich nur verpflichtet sind, die eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen. Das heißt, wenn die Staaten bestreiten, dass es ihre Staatsangehörigen sind, dann müssen wir in jedem einzelnen Fall die wahre Identität und wahre Nationalität beweisen. Das kann im Einzelfall sehr schwierig sein.

domradio.de: Was wissen Sie darüber, was die Asylbewerber, die in ihr Heimatland zurückkehren, erwartet?

Bosbach: Ich persönlich nichts. Ich war noch nie in Afghanistan. Ich habe keine persönliche Kenntnis von vor Ort. Das heißt, ich muss mich auf die Informationen verlassen, die von amtlichen Stellen kommen. Es hat allerdings eine vorzügliche Betreuung gegeben. Es waren ja nicht nur 93 Polizeibeamte mit an Bord für 34 Ausreisepflichtige. Es waren Dolmetscher mit dabei und medizinisches Personal. Ich gehe davon aus, dass man intensiv beobachten wird, wie das Schicksal der Personen vor Ort ist.

domradio.de: Also eine Art Nachsorge?

Bosbach: Nein, wir werden nicht jeden einzelnen Asylbewerber in allen Teilen der Welt durch Personal der Bundesrepublik Deutschland zukünftig fürsorglich betreuen können. Aber es gibt ja jederzeit die Möglichkeit, sich an die entsprechenden Stellen zu wenden.

domradio.de: Inwieweit können Christen es zulassen, dass Asylbewerber vielleicht in ein Land zugeschickt werden, in dem sie möglicherweise misshandelt oder gefoltert werden?

Bosbach: Wenn die Besorgnis besteht, dann findet eine Rückführung nicht statt. Das schließt unser Recht aus.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Wolfgang Bosbach / © Jens Wolf (dpa)
Wolfgang Bosbach / © Jens Wolf ( dpa )
Quelle:
DR