Prozess gegen katholischen Priester startet in Saarbrücken

Brisanter Fall für die Kirche

Das Landgericht Saarbrücken verhandelt ab diesem Montag wegen des Verdachts sexueller Nötigung gegen einen Priester. Im Prozess könnten auch Details zum Umgang der Kirche mit dem Beschuldigten und Betroffenen offenbart werden.

Autor/in:
Anna Fries
Symbolbild Hände eines Priesters / © LightField Studios (shutterstock)
Symbolbild Hände eines Priesters / © LightField Studios ( shutterstock )

Vor dem Landgericht Saarbrücken beginnt am Montag ein Prozess gegen einen Trierer Priester wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung. Seit Jahren beschäftigen sich Strafverfolgungsbehörden mit ähnlichen Vorwürfen gegen ihn.

Bislang stellte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen immer ein - weil die Vorwürfe verjährt waren oder Beweise fehlten. Nun können die Dinge anders liegen. Der Prozess könnte auch brisante Details zum Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauch offenbaren.

Angeklagter bestreitet Tatvorwurf

Im konkreten Fall geht es um Vorwürfe, die sich auf das Jahr 1997 beziehen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte einen 14-jährigen Messdiener "sexuell motiviert unangemessen berührt und dazu körperliche Gewalt angewendet" hat.

Er soll den Jungen über Nacht ins Pfarrhaus im nördlichen Saarland eingeladen und dann aufs Bett geworfen, gewaltsam festgehalten und im Intimbereich angefasst haben. Wiederholte Bitten zum Aufhören habe er ignoriert, so die Staatsanwaltschaft. Der mutmaßliche Betroffene habe sich gewehrt und entkommen können. Er soll nach KNA-Informationen heute selbst als Priester arbeiten. Der Angeklagte bestreitet den Angaben zufolge den Tatvorwurf.

Bistum Trier

Liebfrauenkirche und Trierer Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Liebfrauenkirche und Trierer Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das Bistum Trier ist das älteste in Deutschland. Es erstreckt sich über eine Fläche von 12.870 Quadratkilometern. Im Bistum Trier, das Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien hat, leben etwa 2,5 Millionen Menschen. Als erster Bischof von Trier gilt der heilige Eucharius im dritten Jahrhundert. Das spätere Erzbistum, dessen Oberhirten seit 1198 auch Kurfürsten waren, war eines der wichtigsten im alten Reich. 

Angezeigt wurde der heutige Ruhestandspriester vom Bistum Trier. Die aktuellen Vorwürfe tauchten im Rahmen eines kirchlichen Strafverfahrens auf. Denn auch die Kirche befasst sich seit Jahren mit dem Mann - und steht wegen ihres Umgangs mit ihm und mit den mutmaßlichen Opfern in der Kritik. Denn das Bistum Trier hatte bereits 2006 Hinweise zu Anschuldigungen, bemühte sich aber im Rückblick auch nach eigener Einschätzung nicht genug um Aufklärung.

In den damals geltenden Regeln der Bischofskonferenz heißt es: "Die Fürsorge der Kirche gilt zuerst dem Opfer." Auch hätte das Bistum nach den kircheneigenen Vorgaben bei einem begründetem Verdacht eine Voruntersuchung einleiten und eine Freistellung des Beschuldigten prüfen müssen. Das geschah offenbar nicht.

2006 hatte ein mutmaßliches anderes Opfer den Priester angezeigt. Die Tat war damals knapp verjährt, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, informierte aber das Bistum.

Mehrere hochrangige Geistliche mit dem Fall irgendwie befasst

Brisant ist, dass mehrere hochrangige Geistliche mit dem Fall in irgendeiner Form befasst waren - darunter die heutigen Bischöfe von Trier, München und Limburg, Stephan Ackermann, Reinhard Marx und Georg Bätzing sowie der heutige Trierer Offizial Georg Holkenbrink.

In einer gemeinsamen Erklärung teilten die drei Bistümer 2021 mit: "In der Tat sind im Verlauf der Bearbeitung dieses Falles Fehler passiert, sowohl im Umgang mit Betroffenen als auch in der Handhabung der Bearbeitung."

Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle (KNA)
Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle ( KNA )

Erst 2015 beurlaubte das Bistum den Mann und informierte darüber die Gemeinde. Allerdings empörte die Art der Kommunikation viele in der Pfarrei, weil die im Raum stehenden Vorwürfe nicht klar benannt wurden und der dem Beschuldigten vorgesetzte Pfarrer aus Sicht vieler zum Buhmann wurde. Wenig später versetzte das Bistum den Beschuldigten in den Ruhestand und untersagte ihm, öffentlich als Priester zu wirken.

Heute habe sich die Lage in der Gemeinde etwas normalisiert, meint einer, der sich intensiv mit dem Fall befasst. Es gebe zwar noch "Versteher" des Priesters, die sich darauf zurückziehen, dass er nie verurteilt wurde, aber ihre Zahl sinke. Konflikte gibt es immer noch.

So wollte der Pfarreienrat im Vorjahr Ackermann von einer Firmung ausladen und argumentierte, er habe bis heute nicht "für weitere Klarheit und Aufarbeitung" gesorgt.

Kirchengericht Köln befasst sich mit dem Fall

Von kirchlicher Seite befasst sich seit 2018 auf Anordnung des Vatikans das Kirchengericht Köln mit dem Fall. Über den Verlauf dringt kaum etwas nach außen. Auf KNA-Anfrage teilte das Kirchengericht mit, unlängst die Beweisaufnahme abgeschlossen zu haben - nach rund vier Jahren. Danach fertigen der Kirchenrichter als Ankläger und der Anwalt als Verteidiger des Angeklagten Stellungnahmen. Über solche Fälle entscheiden in der Regel drei Richter.

Justitia-Figur / © Robert Kneschke (shutterstock)

Sollte das Kirchengericht den Mann für schuldig befinden, könnte er aus dem Priesterstand entlassen werden. Für Betroffene bitter: Solange das kirchliche Verfahren läuft, erhalten etwaige Opfer des Priesters keine Zahlungen in Anerkennung ihres Leides. Das Bistum äußert sich auf Anfragen zu dem Fall in der Regel nicht und begründet das mit dem laufenden Verfahren.

Aufmerksamkeit ist groß

Die Aufmerksamkeit für das Saarbrücker Verfahren ist groß. Das Gericht hat acht Verhandlungstermine angesetzt und rund 20 Zeugen geladen. Aussagen werden einige mutmaßliche Betroffene, darunter mindestens eine Person, deren Verfahren eingestellt wurde. Wer darüber hinaus als Zeuge spricht - etwa aus der Kirche - ist offen.

Als Zuhörer haben sich Mitglieder der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum angekündigt. Die Kommission befasst sich ebenfalls mit dem Fall, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte.

Nach dem Prozess wird die Kirche in der Regel über das Urteil informiert. Anzunehmen ist, dass die Kirchenrichter in Köln die Entwicklungen in Saarbrücken beobachten wird und dass sich das Verfahren dadurch wohl nicht beschleunigt.

Mutmaßliche Opfer setzten indes Hoffnungen in den Saarbrücker Prozess. Derjenige, der den Priester 2006 anzeigte, schrieb dazu auf Facebook: "Endlich hat die Warterei ein Ende."

Das Offizialat

Das Offizialat ist das in der katholischen Rechtsordnung für jedes Bistum vorgeschriebene Gericht, das über Klagen nach kanonischem Recht entscheidet.

Der Begriff Offizialat meinte ursprünglich einen Amtsbereich; heute steht er in aller Regel für das Gericht eines katholischen Bistums. In einigen deutschsprachigen Gebieten wird das bischöfliche Gericht auch Konsistorium genannt.

Das Offizialat mit seinen Mitarbeitern wird geleitet vom Offizial. Dieser ist der Gerichtsvikar des Bischofs, das heißt er leitet stellvertretend für den Bischof dessen Gerichtsbarkeit.

Türschild mit der Aufschrift Bischöfliches Offizialat in Münster / © Julia Steinbrecht (KNA)
Türschild mit der Aufschrift Bischöfliches Offizialat in Münster / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA