Prügelstrafe gegen Blogger Badawi jährt sich zum zweiten Mal

Die Hoffnung nicht aufgeben

Seit viereinhalb Jahren ist Raif Badawi inzwischen inhaftiert. Zwei Jahre nach der ersten Prügelstrafe gegen den saudischen Blogger sorgen sich Beobachter um ihn - und um die Lage in der Region.

Autor/in:
Paula Konersmann und Anna Mertens
Ensaf Haidar, die Frau von Raif Badawi / © Arno Burgi (dpa)
Ensaf Haidar, die Frau von Raif Badawi / © Arno Burgi ( dpa )

"Warum bist du im Gefängnis, Papa? Stimmt es, dass es daran liegt, dass du eine Website gegründet hast, die zur sozialen und politischen Diskussion aufruft?" In einem Brief an seinen Vater stellt der kleine Doudi die Frage, die viele umtreibt. Der Blogger Raif Badawi ist seit viereinhalb Jahren in seiner Heimat Saudi-Arabien inhaftiert, verurteilt zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Peitschenhieben.

Die ersten 50 Schläge gegen Badawi wurden in Dschidda vollstreckt - vor zwei Jahren am 9. Januar: öffentlich, auf einem Platz vor der Al-Jafali-Moschee, nach dem Freitagsgebet. Die nachfolgenden Hiebe wurden verschoben, zunächst wegen medizinischer Bedenken, dann ohne Begründung.

Hungerstreik

Menschenrechtler und Politiker weltweit forderten immer wieder einen sofortigen Stopp der Strafe und die Freilassung des Bloggers. Ohne Erfolg: Vielmehr wurde er vor gut einem Jahr in ein anderes Gefängnis verlegt und trat in den Hungerstreik.

Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die im Austausch mit Badawis Ehefrau Ensaf Haidar steht, gibt es derzeit keine Informationen über aktuelle Entwicklungen. Das Ehepaar könne nur unregelmäßig telefonieren; Haidar berichte aber, dass ihr Mann am Telefon "sehr gefasst" wirke und sich bemühe, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Auch Amnesty International sieht keine Anzeichen für eine frühzeitige Freilassung. An Badawis Situation habe sich nichts geändert, erklärte eine Sprecherin in Berlin: "Badawi sollte sich nicht in Haft befinden: Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der lediglich inhaftiert wurde, weil er friedlichen Gebrauch von seinem Recht auf Meinungsfreiheit gemacht hat."

Sacharow-Preis

2015 hatte das EU-Parlament Badawi den Sacharow-Preis für geistige Freiheit verliehen - auch, um den Wert der Meinungsfreiheit als "fundamentales Menschenrecht" zu unterstreichen, wie Parlamentspräsident Martin Schulz damals erklärte. Gruppen wie das englische PEN-Zentrum organisieren weiterhin regelmäßig Mahnwachen für den Blogger, so an dessen 33. Geburtstag in der kommenden Woche.

Doch aus der breiten Öffentlichkeit ist das Thema weitgehend verschwunden. Dabei sei öffentliche Aufmerksamkeit das, was Badawi helfen könnte, betont GfbV-Referent Ulrich Delius. "Saudi-Arabiens Wiederwahl in den UN-Menschenrechtsrat im November 2016 für eine weitere dreijährige Amtsperiode zeigt allerdings, dass das Land noch immer auf maßgebliche internationale Unterstützung setzen kann."

Ikone der Meinungsfreiheit

Auseinandersetzungen über die Meinungsfreiheit sind jedoch in der Region keine Seltenheit. Das beklagen Menschenrechtler seit langem: Die Strafe gegen Blogger Badawi sei nur die Spitze des Eisbergs, "ein Auswuchs der systematischen Unterdrückung jeder abweichenden Meinung", erklärt der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr.

Unterdessen ist Badawi zu einer Ikone der Meinungsfreiheit geworden. Auf seinem 2008 gegründeten Internetportal "Die saudischen Liberalen" scheute er sich nicht, politische und religiöse Entscheidungen oder Institutionen in dem streng islamischen Königreich zu kritisieren.

Für die absolute Monarchie war das zu viel: Badawi wurde vorgeworfen, den Islam beleidigt zu haben. 2012 verhafteten ihn die Sicherheitsbehörden, seine Website wurde geschlossen.

Begnadigung einzige Hoffnung

Gegen Badawi wurde ein Verfahren wegen "Apostasie", Abtrünnigkeit vom Islam, eingeleitet. Eine Straftat, die im Königreich mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Vermittlungsversuche unter anderem von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) blieben unerhört. Experten meinen, dass eine Begnadigung durch den saudischen König für Badawi die einzige Hoffnung auf Freiheit wäre.

Haidar lässt unterdessen nicht nach im Kampf um ihren Mann, gegen Folter und die Todesstrafe. Sie schrieb ein Buch, gründete eine Stiftung zur Förderung von Meinungsfreiheit und nahm zahlreiche internationale Preise für den Inhaftierten entgegen. Auch sie selbst wurde mehrfach ausgezeichnet. Die internationale Unterstützung gebe der Familie viel Kraft, hat Haidar wiederholt in Interviews versichert. Trotzdem, sagt sie, sei die Angst immer da - die Angst vor den nächsten 50 Schlägen.


Quelle:
KNA