domradio.de: Papst Franziskus packt endlich an, reformiert die Vatikan-Bank und die Kurie gleich mit, so jubelt der Spiegel in seiner Online-Ausgabe. Was macht Franziskus besser als sein Vorgänger?
Andreas Püttmann: Wieso fragt man nicht einfach, was macht Franziskus besonders gut? Es muss in der öffentlichen Debatte immer verbunden werden mit einem Seitenhieb auf den Vorgänger und es ist natürlich auch fragwürdig methodisch, ein Pontifikat von acht Jahren zu vergleichen mit einem Pontifikat von drei Monaten. Was mir besonders gut gefällt an Franziskus, ist eine hohe tägliche Präsenz als Pastor der Weltkirche. Durch seine täglichen Messen im Gästehaus Santa Martha - die ja im Informationszeitalter praktisch sofort herauskommen in ihren Impulsen - hat er eine hohe Nähe zur Weltkirche. Er spricht in scharfer Kontur, in kritischer Rede, überhaupt nicht betulich, sondern mit klarer Kante und auch sehr stark tugendethisch akzentuiert, auch das gefällt mir und dann hat er eine sehr authentische Menschenliebe. Es ist zum Beispiel auffällig, dass er oft von Zärtlichkeit spricht und das Vierte ist, dass er eine scheinbar hohe Durchsetzungsfähigkeit hat, allerdings muss man sagen, was die Vatikanbank betrifft, das hat ja nun Benedikt schon eingeleitet, in dem er die vatikanische Finanzaufsichtsbehörde AIS unter dem Schweizer René Brülhart eingesetzt hat, aber das führt jetzt Franziskus in verschärfter Form fort.
domradio.de: Sie sprechen von vier Typen der Papstkommentatoren – wie kommen Sie zu dieser Einteilung?
Püttmann: Wenn Sie zwei Päpste haben und jeweils eine Pro- und Contra-Tendenz und die in einer Kreuztabelle miteinander vergleichen, dann kommen Sie auf vier Typen von Kombinationen in den Einstellungen. Die einen können mit beiden nichts anfangen, die TAZ hat ja geschrieben "Alter Sack I. folgt Alter Sack II.", also die Leute, die sowieso den Vatikan für eine zentralistisch-autoritäre hoffnungslos veraltete Institution halten und zwei traditionell fromme ältere Herren für eine suboptimale Besetzung, dann haben Sie die zweite Gruppe, das sind die Benediktverehrer, die mit Franziskus fremdeln, zum Teil weil Sie den Verlust höfischer Pracht und liturgischer Ästhetik bedauern oder weil sie von der Option für die Armen auf dem falschen Fuß erwischt werden oder weil ihnen da zu viel kirchliche Selbstkritik aus der Herzkammer kommt, weil sie selbst nämlich die Kirche gerne einseitig als Haus voll Glorie in der Öffentlichkeit drapieren. Die dritte Gruppe, das sind diejenigen, die schon immer gegen Ratzinger waren und jetzt Franziskus über den Klee loben, da ist der Mainstream des kirchlichen medialen Komplexes, die Laiengremien, die schon mit Joseph Ratzinger unter Johannes Paul II. ein Problem hatten und gelitten haben. Typisch Frau Lücking-Michel vom ZdK, die Benedikt unterstellte, er hätte bei der Fußwaschung gründonnerstags Leuten bei angezogenen Socken nur etwas Weihwasser über die Füße geträufelt. Und dann gibt es die vierten, zu denen ich mich selbst gerne zähle, die mit beiden Pontifikaten sehr glücklich sind, die dankbar, die jeweils vom Heiligen Geist verordnete Medizin annehmen und einnehmen können und für die, die Päpste die großen Scheinwerfer sind, die aus unterschiedlichen Richtungen den Kathedralbau der Kirche anstrahlen und ihn dadurch erst in seiner Vieldimensionalität und Schönheit zum Strahlen bringen.
domradio.de: Papst Benedikt ging es vor allem um die Versöhnung von Glaube und Vernunft, Franziskus thematisiert sehr die Sorge für die Armen und dass die Kirche sich nicht um sich selbst drehen darf. Wie groß sind tatsächlich die theologischen Unterschiede zwischen den beiden?
Püttmann: Das ist natürlich vor der Veröffentlichung der ersten Enzyklika und vor dem ersten internationalen Pastoralbesuch sehr spekulativ. Ich würde mal sagen, bisher ist eigentlich ein theologischer Kurswechsel im Sinne des Widerspruches nicht festzustellen, da gibt es einfach nicht genug handfeste Fakten. Ich sehe also keinen Bruch im Substanziellen. Man könnte schon am ehesten sagen, dass Franziskus sich etwas einfacher ausdrückt, dass hat ihm ja in der Zeitschrift "Christ und Welt" gleich die Überschrift der "Unterkomplexe" eingetragen, bei Ratzinger hat man immer bedauert, dass er zu intelligent und zu kompliziert redet, was ich auch nicht unbedingt so sehe, dann wären seine Bücher nicht millionenfach verkauft worden. Franziskus hat eine sehr traditionelle Frömmigkeit. Ich stelle mir gerade vor, Benedikt hätte gesagt, wer nicht zu Gott betet, der betet zum Teufel, das hätte einen Aufschrei gegeben über diese erzreaktionäre Theologie, aber auch da ist die Wahrnehmung anders. Da sagt man halt, naja, die Südamerikaner sind halt so und die Enzyklika, die der "vier Hände", die jetzt erscheint, die mutmaßlich sogar mehr von Benedikt die Handschrift trägt, weil er ja schon fast fertig war mit dem Manuskript, die zeigt eigentlich, dass eine hohe Kontinuität festzustellen ist. Franziskus hat sich häufig auf Benedikt bezogen und immer sehr herzlich und demonstrativ. Auch die Idee der Entweltlichung, die Benedikt uns in Freiburg ins Stammbuch geschrieben hat, wird ja im Grunde jetzt von Franzikus ins Werk gesetzt, das heißt für mich überwiegen bisher bei allen Unterschieden im Stil in der Substanz die Kontinuität.
Der Artikel "Zwei Päpste, vier Meinungen" von Andreas Püttmann ist in der aktuellen Ausgabe der Zeit-Beilage "Christ&Welt" erschienen.
Das Interview führte Tobias Fricke