DOMRADIO.DE: Sind Sie schon vor den Stadttoren Roms?
Robert Köhler (Initiative "Wir-wissen-Bescheid.de"): Nein, wir haben noch 50 Kilometer bis Rom. Wir sind heute früh von Torricella losgefahren. Ich stehe hier gerade im Nieselregen und schaue auf eine mittelalterliche Stadt hoch. Wir freuen uns, dass wir nach dem Interview gleich den Berg rauf radeln können.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie die Stadt erreichen, geht es mit dem Fahrrad mitten durch Rom. Das klingt gewagt.
Köhler: Für die Gruppe ist das eine Radtour, an der wir viel Spaß haben. Wir fahren zwischen 70 und 100 Kilometer pro Tag. Das ist schön und auch eine sehr intensive Zeit.
DOMRADIO.DE: Sie haben schon 720 Kilometer und etwa 4500 Höhenmeter zurückgelegt. Mussten schon welche aufgeben?
Köhler: Einer fährt im Begleitfahrzeug mit. Er ist leider kurz vor Bozen auf nasser Straße gestürzt, aber alle anderen sind wohlauf und je nach Wetterlage lässt sich auch mal jemand fahren. Aber es machen praktisch alle bei der Tour mit.
DOMRADIO.DE: Sie sind von der Initiative "Wir wissen Bescheid" des Vereins Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer und wollen zum Vatikan. Was wollen Sie da erreichen?
Köhler: Es gibt zwei Dinge. Zum einen dauert die Aufarbeitung schon 13 Jahre, eine unsäglich lange Zeit. Wir wollen einen ordentlichen Zeitplan, nach dem konsequent gearbeitet wird. Das ist die Projektmanagementsicht auf das Ganze.
Außerdem muss sich der Umgang mit Betroffenen ändern. Betroffene gehören zu dieser Kirche dazu. Sie sind mit ihrem Leben und dieser Kirche verbunden und wollen entsprechend herzlich behandelt, freundlich auf Augenhöhe aufgenommen werden. Dann hat man auch eine Chance, die Menschen, denen was passiert ist, emotional zu erreichen und zu schauen, dass es ihnen gut geht.
DOMRADIO.DE: Das Motto ihrer Pilgertour ist "Wir brechen auf". Was wollen Sie den Menschen mit diesem Motto sagen?
Köhler: Dass wir uns auf den Weg machen. Wir zeigen, wir sind Missbrauchsbetroffene. Es gibt viele, die sich an der Stelle dazu nicht äußern, auch nicht in ihrer Familie, denen es aber damit auch nicht gut geht. Wir wollen Mut machen und sagen, es gibt dieses Phänomen. Wir sind trotzdem ganz normale Menschen, mit denen man normal reden und was ausmachen kann. Wir stehen nicht vor den Toren und protestieren, sondern wir wollen mit den Menschen dort reden.
DOMRADIO.DE: Sie wollen auch zum Papst vorgelassen werden. Haben Sie einen Termin angefragt oder wie realistisch ist es, dass Sie zum Papst kommen?
Köhler: Das ist organisiert, dass der Papst innerhalb der großen Audienz am Mittwochmorgen zu uns kommt. Wir sind also eine der Gruppen, zu denen der Papst kommt. Man wird wahrscheinlich nur drei bis vier Minuten Zeit haben. Aber wir wollen ihm eine Skulptur des Künstlers Michael Pendry übergeben. Ein Herz, was genau dafür stehen soll. Kirche muss herzlich sein. Die Liebe Gottes ist nicht empathielos.
DOMRADIO.DE: Sie sind schon seit Tagen unterwegs. Konnten Sie auf Ihren Stationen auch Menschen und Vertreter der katholischen Kirche treffen und denen Ihr Anliegen vortragen?
Köhler: Ja, das konnten wir. Wir haben in Bozen Bischof Reinhard Marx und Ivo Muser getroffen. In Trento kamen wir mit dem Generalvikar und dem Bischof Lauro Tisi zusammen, in Verona haben wir ebenfalls den Bischof getroffen. Auch darüber hinaus gab es interessante Begegnungen.
DOMRADIO.DE: Was war Ihr persönliches Highlight bis jetzt?
Köhler: Es gab viele Highlights, aber die unterschiedliche Sprachfähigkeit war für mich neu. Kirchenvertreter, ob Pfarrer, Äbte, Mönche oder Bischöfe, können ganz unterschiedlich gut über dieses Thema reden und Betroffene erreichen. Das ging von sehr gut bis überhaupt nicht. Das ist interessant, dass man diese Sprachfähigkeit, Sprechfähigkeit der Kirchenmenschen zu dem Thema üben muss, wie man mit Betroffenen umgeht. Das ist ein flächendeckendes Thema, das die ganze Welt brauchen kann.
Das Interview führte Tom Helssen.