Rätsel um Rückzug von Zollner aus Kinderschutzkommission

"Strukturelle und praktische Probleme"

Überrascht und enttäuscht zeigt sich der Präsident der Päpstlichen Kinderschutzkommission von der Kritik des Experten Hans Zollner. Der Jesuit hatte dem Gremium mangelnde Transparenz vorgeworfen - und verließ es.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Kinderschutz / © Britta Pedersen (dpa)
Kinderschutz / © Britta Pedersen ( dpa )
 © Francesco Pistilli (KNA)
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Transparenz, klare Entscheidungswege und Verantwortungsübernahme - das hat der Kinderschutzexperte und Jesuit Hans Zollner in der Päpstlichen Kinderschutzkommission vermisst. Mitte März zog der 56-Jährige seine Schlüsse, die er erst vergangenen Mittwoch offiziell kommunizierte: Er verließ das Gremium, das Papst Franziskus 2014 ins Leben gerufen hatte und dem Zollner seitdem angehörte.

Noch bevor sich der Ordensmann selbst zu seinem Rückzug äußerte, verbreitete sich auf Twitter eine Erklärung des Präsidenten der Kinderschutzkommission, Kardinal Sean O'Malley aus Boston. Darin klingt es so, als habe Zollner den Papst um einen Rücktritt aus dem Gremium gebeten, weil ihm seine unterschiedlichen Aufgaben in mehreren Funktionen zu viel geworden seien. So habe es der Deutsche ihm gegenüber dargestellt, teilte O'Malley mit.

Zollner hat seit geraumer Zeit anspruchsvolle Aufgaben

Die Version klingt plausibel: Zollner hat seit geraumer Zeit anspruchsvolle Aufgaben inne - und erst vor Kurzem eine weitere Tätigkeit übernommen. So leitet er das Kinderschutzinstitut IADC an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, berät Bischöfe und Priesterausbilder in allen Erdteilen in Sachen Missbrauchs-Prävention und ist jetzt auch noch als Sachverständiger für die Kinderschutzfachstelle im Bistum Rom tätig.

In O'Malleys Erklärung folgen lobende Worte für den engagierten Theologen und approbierten Psychotherapeuten, der international als der bedeutendste Fachmann für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche gilt. Anlässlich seines Rückzugs aus der Kinderschutzkommission habe auch der Papst dem Deutschen zutiefst für seinen Dienst gedankt, teilte O'Malley weiter mit.

Zollners Entscheidung hat nichts mit Überforderung zu tun 

Kurz darauf meldete sich Zollner mit einer eigenen schriftlichen Erklärung zu Wort - und die machte klar, dass seine Entscheidung nicht nur von Überforderung getrieben war. Stattdessen benannte er "strukturelle und praktische Probleme" der Kinderschutzkommission in den Bereichen Compliance, Verantwortungsübernahme und Transparenz. So seien etwa die Auswahlkriterien für die Kommissionsmitglieder sowie deren genaue Rollen und Aufgaben unklar.

Zollner befand zudem die finanziellen Rechenschaftspflichten des Gremiums als unzureichend. "Es ist von höchster Wichtigkeit für die Kommission, klar zu zeigen, wie sie Geldmittel in ihrer Arbeit nutzt", teilte der Fachmann mit. Zudem brauche es mehr Transparenz über konkrete Entscheidungswege und eine Regelung, die das Verhältnis zwischen der Kommission und der vatikanischen Glaubensbehörde klärt.

Als Franziskus die Kinderschutzkommission im März 2014 einsetzte, lautete die Aufgabenbeschreibung: Das Gremium soll sich vor allem um die Betreuung von Missbrauchsbetroffenen kümmern, Leitlinien zur Vorbeugung von Missbrauch erstellen und für eine entsprechende Schulung kirchlicher Mitarbeitender sorgen. Die Leitung der neuen Gruppe übernahm der US-Amerikaner O'Malley, der ebenfalls als Experte auf diesem Gebiet gilt. Vor seiner Amtszeit als Erzbischof von Boston war es in dem Erzbistum zu zahlreichen Missbrauchsfällen gekommen. Diese arbeitete er in einem als vorbildlich geltenden Verfahren auf.

Glaubensbehörde für Verfolgung von Missbrauchsfällen 

Bei der Gründung der Kommission betonte der damalige Vatikansprecher Federico Lombardi, dass das Gremium die Zuständigkeit der vatikanischen Glaubenskongregation nicht berühre. Die Glaubensbehörde ist für die kirchenrechtliche Verfolgung von Missbrauchsfällen durch Kleriker zuständig. Erst im vergangenen Jahr gliederte der Papst die Kinderschutzkommission in die nun als "Glaubensdikasterium" bezeichnete Behörde ein. Aus Zollners Perspektive besteht Klärungsbedarf, was das Verhältnis zwischen Kommission und Dikasterium angeht.

Auf die Kritik des Deutschen reagierte O'Malley verschnupft. Seiner ursprünglichen Erklärung fügte er eine Ergänzung hinzu, in der er sich "überrascht und enttäuscht" zeigt. "Ich widerspreche seinen (Zollners) öffentlichen Äußerungen deutlich, die die Effizienz der Kommission infrage stellen", so der Kardinal. In ihrer kommenden Vollversammlung werde die Kommission über das Thema sprechen.

Trotz des Unmuts dürfte das Tischtuch nicht gänzlich zerschnitten sein, zumal Zollner in seiner Erklärung ausdrücklich dem Präsidenten und den Mitgliedern der Kinderschutzkommission dankte. Sie teilten die Hoffnung für eine sicherere Kirche, so der Jesuit. Er wolle sich nun auf seine Aufgaben im IADC und im Bistum Rom konzentrieren. Für einen Austausch mit der Kinderschutzkommission stehe er weiter zur Verfügung.

Päpstliche Kinderschutzkommission

Die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen, umgangssprachlich auch Päpstliche oder Vatikanische Kinderschutzkommission genannt, wurde im Jahr 2014 von Papst Franziskus zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung eingerichtet und ist seit dem Jahr 2015 tätig.

Symbolbild Missbrauch / © 271 EAK MOTO (shutterstock)
Quelle:
KNA