Rheinische Landeskirche verzeichnet deutlich mehr Missbrauchsopfer

Nach Aufruf zur Meldung

Die Evangelische Kirche im Rheinland erfasst deutlich mehr Meldungen zu sexualisierter Gewalt als bislang bekannt. Vizepräses Christoph Pistorius berichtete in Düsseldorf von 124 Betroffenen aus allen Bereichen der Kirche.

Leerer Stuhl in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) verzeichnet einen sprunghaften Anstieg bei den Meldungen sexualisierter Gewalt. 

Bis Ende Dezember 2024 hätten sich 124 Betroffene von allen Ebenen der rheinischen Kirche gemeldet, sagte Vizepräses Christoph Pistorius am Dienstag vor Journalisten in Düsseldorf. Für die im Januar vergangenen Jahres vorgestellte Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte die Landeskirche nur 70 Fälle aus den Jahren 1946 bis einschließlich 2020 gemeldet.

Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Koordinator im Verbund West / © Elena Hong (DR)
Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Koordinator im Verbund West / © Elena Hong ( DR )

Die Ermutigung an Betroffene, sich an die Kirche zu wenden, zeige Früchte, sagte Pistorius. Laut Landeskirche können die 124 neuen Verdachtsmeldungen, die bei der 2021 eingeführten EKiR-Meldestelle eingegangen seien, aber nicht einfach zu den 70 für die EKD-Studie gemeldeten Fällen addiert werden. Denn in mindestens einem Drittel der Fälle gebe es Überschneidungen.

33 beschuldigte Theologen

Laut Pistorius werden in 33 Fällen Theologen beschuldigt. Ansonsten beziehen sich die Vorwürfe auf andere berufliche und ehrenamtliche Mitarbeitende, etwa Chorleiter. Seit 2004 habe es in der rheinischen Landeskirche im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung 31 Disziplinarverfahren gegeben, 29 gegen Pfarrpersonen und zwei gegen Kirchenbeamte. Vier davon liefen noch. 

Etwa ein Drittel der Disziplinarverfahren sei eingestellt worden, weil keine Pflichtverletzung nachgewiesen wurde. 40 Betroffene haben den Angaben zufolge insgesamt 725.000 Euro in Anerkennung ihres Leids erhalten. In 139 Fällen auf dem Gebiet der rheinischen Diakonie seien insgesamt 2,2 Millionen Euro gezahlt worden. Im Rahmen eines ergänzenden Hilfesystems hätten elf Antragstellende rund 75.000 Euro erhalten.

Kommission nimmt Arbeit auf

Pistorius wies darauf hin, dass im März die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission für die rheinische, westfälische und lippische Kirche sowie die gemeinsame Diakonie ihre Arbeit aufnehme. Zur Vorbereitung der Kommissionsarbeit bereiteten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die Personalakten zu den gemeldeten Fällen auf. Zudem sei nach der Veröffentlichung der EKD-Studie die zuständige Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung der Landeskirche personell verstärkt worden.

Die Evangelische Kirche im Rheinland erstreckt sich über Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlands. Mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern ist sie die zweitgrößte der 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Evangelische Kirche im Rheinland

Die Evangelische Kirche im Rheinland ist mit rund 2,34 Millionen Protestanten die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Niederrhein und Saar über das Gebiet der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Rheinland. Die 643 Gemeinden, die in 37 Kirchenkreisen zusammengeschlossen sind, liegen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Präses und damit oberster Repräsentant ist seit März 2021 der 51-jährige Theologe Thorsten Latzel. 

Symbolbild: Ein Holzkreuz / © enterlinedesign (shutterstock)