Roms größte Marienkirche wird 1590 Jahre alt

Am Anfang war Schnee

Die Basilika Santa Maria Maggiore zählt zu den prächtigsten und am besten erhaltenen antiken Kirchen in Rom. Ihre Entstehung hängt auch mit dem Konzil von Ephesus zusammen, dass der Gottesmutter eine besondere Bedeutung zusprach.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Basilika Santa Maria Maggiore in Rom / © essevu (shutterstock)
Basilika Santa Maria Maggiore in Rom / © essevu ( shutterstock )

Die Gottesmutter Maria selbst war es, die den Bau von Roms größter Marienkirche in Auftrag gab. Der Legende nach erschien sie in der Nacht auf den 5. August des Jahres 352 oder 358 dem römischen Patrizier Johannes und seiner Frau, gleichzeitig aber auch Papst Liberius im Traum und trug ihnen auf, ihr zu Ehren an der Stelle in Rom eine Kirche zu errichten, wo am nächsten Morgen Schnee läge. Und tatsächlich soll tags darauf auf der höchsten Erhebung des Esquilinhügels Schnee gelegen und somit den Wunsch der Gottesmutter bestätigt haben.

Bis heute wird dieses Schneewunder jedes Jahr am Weihetag der Basilika Santa Maria Maggiore nachgestellt, indem es abends von der Loggia der Kirche weiße Blüten auf den Platz schneit. Im Innern der Basilika geschieht dies durch eine Öffnung in der Decke bereits während der Vesper am späten Nachmittag. Geweiht wurde Roms größte Marienkirche durch Papst Sixtus III. am 5. August 434, also vor 1590 Jahren.

Wenige Jahre zuvor war in Ephesus ein Konzil zu Ende gegangen, auf dem Maria der Titel "Gottesgebärerin" (Theotokos) zuerkannt worden war, eine Folge vorangegangener Konzile, auf denen um die Göttlichkeit Jesu Christi gerungen wurde. Ein weiterer Beweggrund für den Bau von Santa Maria Maggiore war die im 5. Jahrhundert immer noch von heidnischen Bauwerken und Denkmälern geprägte Stadt. Eine der Gottesmutter geweihte große Kirche auf der höchsten Erhebung Roms sollte hier schon rein optisch verdeutlichen, wer nun das Sagen hatte. Die Lateranbasilika wie auch die von St. Peter und St. Paul lagen jeweils am Rande der Stadt bzw. außerhalb der Stadtmauern.

Als Brücke vom Lateran, wo der Papst wohnte, zur bewohnten Stadt, wo der Kaiserpalast war, sieht der in Rom lebende Kirchenhistoriker Stefan Heid die Basilika Santa Maria Maggiore auf dem Esquilinhügel. "Dieser Hügel wurde bewusst mit einem Prunkbau, finanziert aus der päpstlichen Schatulle, besetzt, um die päpstliche Stadthoheit zu signalisieren, seit die Kaiser nach Konstantinopel gezogen waren." So hätten die wichtigsten Prozessionen der Päpste in die Stadt bzw. nach St. Peter über Santa Maria Maggiore geführt. Da in ihr die Krippenreliquie aufbewahrt wurde, feierte der Papst traditionell hier seine erste Weihnachtsmesse.

Erstes Gold aus der neuen Welt für die Basilika

Bis heute zählt die Basilika zu den am besten erhaltenen antiken Bauten Roms. Bei der Errichtung wurden auch Elemente aus antiken Bauten wiederverwendet, wie bei Renovierungsarbeiten in jüngerer Zeit entdeckte Dachziegel mit Prägestempeln aus der Zeit Kaiser Neros zeigen. Die Mosaiken des 5. Jahhrunderts im Hauptschiff gehören zu den schönsten aus der Zeit des spätrömischen Reichs. Weitere Mosaiken wie das in der Hauptapsis, welches die Krönung Mariens zeigt, stammen aus dem Mittelalter. Die prachtvolle Kassettendecke aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert ist mit Gold versehen, welches Ferdinand II. von Aragón und seine Frau Isabella I. dem aus Spanien stammenden Borgia-Papst Alexander VI. schenkten. Es handelt sich dabei um die ersten Goldschätze, die nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus nach Europa gebracht wurden. Bis heute ist der spanische König Honorarkanoniker der Basilika.

Mittelschiff von Santa Maria Maggiore / © Felix Lipov (shutterstock)
Mittelschiff von Santa Maria Maggiore / © Felix Lipov ( shutterstock )

Der Außenbau ist durch zahlreiche Um- und Anbauten vor allem barock geprägt. Ferdinando Fuga gestaltete im 18. Jahrhundert die Hauptfassade in einer besonders belebten und dramatischen Weise architektonisch, die weiterhin den Blick auf die dahinter liegende Fassade des 13. Jahrhunderts freigibt. Das Werk Fugas wurde schon zu seiner Entstehungszeit hochgelobt. Nur der Auftraggeber, Papst Benedikt XIV., war unzufrieden und soll geäußert haben: "Fuga hat wohl geglaubt, wir seien Theaterimpresarios. Das sieht ja aus wie ein Tanzpalast."

Glockengeläut für eine verirrte Pilgerin

Überragt wird die Basilika vom 75 Meter hohen Campanile, einem der höchsten der Stadt. Dieser wurde Ende des 14. Jahrhunderts erbaut, nachdem der Vorgänger aus dem 12. Jahrhundert baufällig geworden war und abgetragen werden musste. Da jedoch das Kapitel finanziell nicht dazu in der Lage war, den Neubau zu finanzieren, wurde der noch in Avignon residierende Papst Gregor XI. um Unterstützung gebeten. Denn Gregor – mit bürgerlichem Namen Pierre Roger de Beaufort – war vor seiner Wahl Erzpriester der Basilika gewesen und stand daher in besonderer Verbundenheit zu diesem Gotteshaus.

Im Turm selbst hängen insgesamt fünf Glocken und bilden eines der bemerkenswertesten und klangvollsten Geläute Roms. Die große Glocke mit 3,5 Tonnen Gewicht goss im Jahr 1851 der römische Gießer Giovanni Lucenti. Sie wird im Volksmund "La Sperduta" (die Verirrte) genannt, was auf eine Erzählung zurückgeht, wonach eine verirrte Pilgerin außerhalb der Porta San Giovanni zur Gottesmutter gebetet und auf einmal den Klang einer Glocke wahrgenommen haben soll. Als sie dem Klang folgte, kam sie schließlich auf dem Platz vor der Basilika an, wo gerade zu einer gottesdienstlichen Handlung geläutet wurde. Aus Dankbarkeit soll dann die Pilgerin das auch heute noch allabendlich um 21 Uhr stattfindende Läuten der großen Glocke gestiftet haben.

Schwerpunkt Liturgie und Kirchenmusik

Bis heute zählt Santa Mara Maggiore zu den Kirchen Roms, die sich in besonderer Weise der Liturgie und der Kirchenmusik verschrieben haben. An Sonn- und Feiertagen wird das Hochamt am Baldachinaltar in lateinischer Sprache gesungen. Musikdirektor der Cappella Musicale Liberiana war von 1947 bis 1977 Domenico Bartolucci. Ihm folgte der Spanier Valentino Miserachs Grau, der die Stelle bis 2019 innehatte. Beide waren auch kompositorisch aktiv. Grau schrieb der Basilika und ihrem Gnadenbild "Salus populi Romani" den zu besonderen Anlässen von den Römern besonders innig gesungenen Hymnus "Al tuo tempio secolare".

Papst Franziskus betet in der Kirche Santa Maria Maggiore / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus betet in der Kirche Santa Maria Maggiore / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Internationale Bekanntheit erlangte die Ikone "Salus populi Romani" wieder durch Papst Franziskus, der vor und nach jeder seiner Reisen dort im Gebet verharrt und Blumen niederlegt. Der Legende nach soll der Evangelist Lukas höchstpersönlich das Bild gemalt haben, das die Gottesmutter zeigt. Tatsächlich stammt es aber aus dem 8. Jahrhundert. Papst Franziskus hat nun auch geäußert, dass er einst in der Basilika Santa Maria Maggiore begraben werden will. Damit ist er nicht der erste Papst. Bereits sechs Päpste haben dort ihre letzte Ruhe gefunden, darunter auch Pius V., der mit dem Konzil von Trient wichtige Reformen in der Kirche angestoßen hatte. Aber auch der berühmte römische Architekt des Barock, Gianlorenzo Bernini und sein Vater liegen in Santa Maria Maggiore begraben.

International besetztes Kapitel

Die Basilika befindet sich heute im exterritorialen Besitz des Heiligen Stuhls. Gegenwärtiger Erzpriester ist der aus Polen stammende Stanisław Marian Kardinal Ryłko, der bis 2016 den Päpstlichen Rat für die Laien geleitet hat. Ihm stellte Papst Franziskus im Frühjahr mit Erzbischof Rolandas Makrickas einen Koadjutor mit Recht auf Nachfolge an die Seite. Dieser hatte bereits seit Dezember 2021 als "außerordentlichen Kommissar" für die in Turbulenzen geratene Basilika gewirkt und das Kapitel der Geistlichen neu geordnet.

Einer der Vorgänger von Ryłko als Erzpriester war Bernard Francis Kardinal Law, bis 2002 Erzbischof von Boston in den USA. Ihm wurde vorgeworfen, Fälle sexualisierter Gewalt in seinem Erzbistum nicht hinreichend verfolgt und angezeigt zu haben. Einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft entging Law durch seinen Wegzug Ende 2002 nach Rom.

Den Sakristeidienst der Basilika versehen Mitglieder der Franziskaner der Immakulata, die nach ihrer Hinwendung zur alten Liturgieform zunehmend in die Diskussion gerieten und nach einigen durch Papst Franziskus angeordneten Visitationen von einem Apostolischen Kommissar geleitet werden. Das Kapitel der Basilika besteht aus zwölf Kanonikern internationaler Herkunft. Der einzige deutsche Kanoniker ist derzeit der aus dem Erzbistum Köln stammende Monsignore Michael Kahle.

Redaktioneller Hinweis: Der Artikel wurde am 5.8.24 um 19:30 Uhr an einer Stelle ergänzt.

Papstgräber in Santa Maria Maggiore

Papst Franziskus will nicht wie seine Vorgänger im Petersdom beigesetzt werden, sondern in der römischen Papstbasilika Santa Maria Maggiore. In der seit der Spätantike bestehenden Marienkirche sind bereits sechs Päpste der Kirchengeschichte bestattet, darunter auch der erste Papst aus dem Franziskanerorden, Nikolaus IV. (1288-1292). Die heutige Basilika ist die wichtigste der mehr als 40 Marienkirchen Roms; daher der Name "Maria Maggiore". 

Grab Papst Pius' V. in Santa Maria Maggiore / © nomadFra (shutterstock)
Grab Papst Pius' V. in Santa Maria Maggiore / © nomadFra ( shutterstock )
Quelle:
DR