Rowan Williams steht in der Kritik - vor dem Rücktritt steht der Anglikaner-Primus aber nicht

Absetzung unmöglich

Er ist seit langem nicht unumstritten, steht in den vergangenen Wochen heftig in der Kritik - und einige stellen sogar öffentlich seine Führungsqualitäten in Frage. Trotzdem: Einfach absetzen können die Kritiker das Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft, Rowan Williams, nicht.

Autor/in:
Gaby Mahlberg
 (DR)

Als Erzbischof von Canterbury ist er von Königin Elizabeth II. ernannt und kann nur aus eigenem Entschluss zurücktreten. Nach geltendem Kirchenrecht sollte er dies tun, wenn er 70 Jahre alt wird. Mit seinen 58 Jahren hätte Williams also noch sehr lange Zeit - sollte er den derzeitigen Querelen innerhalb seiner Kirche um Frauen und bekennende Homosexuelle im Bischofsamt standhalten.

Als ranghöchster Bischof der englischen Mutterkirche und Ehrenoberhaupt der Weltgemeinschaft mit ihren 78 Millionen Mitgliedern gerät er wegen dieser Fragen zunehmend unter Druck. Zahlreiche konservative Bischöfe, vor allem aus Afrika, werfen ihm Führungsschwäche, Autoritätsverlust und mangelnde Härte gegen "Abtrünnige" vor. Und auch der liberale Kirchenflügel ist mit dem eigentlich liberalen Williams nicht immer zufrieden, setzt er sich doch allzu oft zwischen alle Stühle, indem er den Forderungen konservativer Kreise entgegenzukommen versucht.

Keine starke Position. Doch Williams' Gegner können nicht viel mehr tun, als ihn öffentlich zu kritisieren und bloßzustellen. "Es gibt keine Mechanismen, um seinen Rücktritt zu erzwingen", erklärt der Kirchenrechtler Norman Doe, Direktor des Zentrums für Recht und Religion an der Universität Cardiff. Da hilft nur noch der Boykott.  Rund 200 konservative Bischöfe der anglikanischen Weltgemeinschaft halten sich derzeit von der Lambeth-Konferenz im englischen Canterbury fern - dem wichtigsten Beratungsgremium der Anglikaner, das nur alle zehn Jahre tagt.

Großer Prestigeverlust - für das Treffen wie für Williams
Auch der Bischof von Rochester bei London, Michael Nazir-Ali, den viele Konservative gern in Williams' Amt sehen würden, nimmt aus Protest gegen die zunehmende Liberalisierung der anglikanischen Kirche nicht an der Versammlung teil. Stattdessen hat er kürzlich auf der Globalen Anglikanischen Zukunftskonferenz (GAFCON) - einer Art konservativer Gegenveranstaltung zu Lambeth - in Jerusalem kräftig gegen den Richtungsverlust der Kirche gewettert.

Das Fernbleiben der Konservativen von der Konferenz ist ein großer Prestigeverlust - sowohl für das Treffen wie für Williams. Britische Medien sprechen gar von einer zweiten Reformation und einem Ende der Lambeth-Konferenz in ihrer derzeitigen richtungsweisenden Funktion.
Trotzdem ist ein Rücktritt des Ehrenprimas nach Einschätzung von Beobachtern und Experten kaum zu erwarten.

Nicht dieselbe Macht und Autorität wie etwa der Papst
Der Gedanke sei "völlig unsinnig", meint etwa Doe. Williams habe die Vertreter der Weltkirche nach Canterbury eingeladen wie Gäste zum Abendessen ins eigene Haus. "Man lädt keine Leute ins eigene Haus ein und lässt sie dann sitzen", so der Kirchenrechtler. Natürlich könnten seine Gegner hoffen, dass Williams geht oder versuchen, ihn zu überzeugen, meint auch der Direktor des theologischen Ripon College in Cuddesdon bei Oxford, Martyn Percy. Das sei aber in der langen Geschichte der anglikanischen Kirche noch nie vorgekommen.

Grundsätzlich hält Percy den Vorwurf eines schwachen Leitungsstils gegen den Ehrenprimas der Anglikaner für falsch. "Eine stärkere Richtungsweisung kann die anglikanische Kirche nicht geben", meint er. Der Erzbischof von Canterbury habe nicht dieselbe Macht und Autorität wie etwa der Papst; anders als in der katholischen Kirche seien die Strukturen "flacher" und "demokratischer". Williams sei ein "primus inter pares" - der Erste unter Gleichen. Und als solcher tue er sein Bestes, die Kirche in einer sehr schweren Zeit zusammenzuhalten.