Familienberaterin sieht im Lockdown neue Chancen für Weihnachten

Ruhiger, intensiver und weniger stressig

Weihnachten findet statt – trotz Corona. Aber Bund und Länder haben sich auf strenge Regeln geeinigt. Warum diese Einschränkung aber auch neue Chancen bietet, erklärt Familienberaterin Heidi Ruster.

Symbolbild: Weihnachtsbaum mit kleinen Geschenken / © Smiltena (shutterstock)
Symbolbild: Weihnachtsbaum mit kleinen Geschenken / © Smiltena ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Haben Sie das alles begriffen, wer mit wem Weihnachten feiern darf – und wer nicht?

Heidi Ruster (Leiterin der katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Bonn): Ja, das ist auch recht kompliziert und kompliziert gewesen in diesem Jahr. Die Verordnungen genau zu befolgen, das ist echt schwer, weil es sich auch oft verändert hat. Und da haben wir von der Bundesregierung wieder was anderes gesagt bekommen als von Herrn Laschet. Also ich würde sagen, es geht doch darum, die Kontakte möglichst zu reduzieren und den Personenkreis auf engem Raum über längere Zeit in großer Nähe einfach klein zu halten. Das habe ich so mitgekriegt und ich würde mich gar nicht lange an dieser Irritation aufhalten, sondern eher gucken, was möglich ist.

DOMRADIO.DE: Also eines ist sicher: Der Personenkreis wird überschaubarer sein als sonst, das ist klar. Liegt da möglicherweise auch eine Chance für uns, Weihnachten im abgespeckten Modus zu feiern und den ganzen Ballast mit Geschenken und drumherum mal abzuwerfen? In diesem Jahr zumindest?

Ruster: Ja, genau. Das gefällt mir schon eher. Einfach mal zu gucken: Es ist anders. Aber was geht denn und was für Chancen liegen auch darin? Weihnachten ist, müssen wir auch mal zugeben, ansonsten immer auch ein anstrengendes Fest gewesen. Weniger Menschen bedeutet weniger Kochen. Vielleicht bestellt man auch mal ein Essen beim Lieblingsrestaurant, was jetzt im Augenblick sehr gebeutelt ist durch die Krise. Weniger Leute bedeuten auch weniger Aufwand beim Schenken. Und man ist weniger unterwegs, weniger auf den Autobahnen. Also ich finde, das klingt nach weniger Stress in diesem Jahr.

DOMRADIO.DE: Wenn wir also mit dieser Einstellung ins Weihnachtsfest gehen, vielleicht konzentrieren wir uns diesmal auf die wenigen wichtigen Menschen um uns herum. Das bedeutet dann auch weniger Stress. Das ist möglicherweise eine gute Lösung.

Ruster: Jawohl. Also das hat einfach eine andere Qualität als ein großes Fest in großer Runde, mit viel bienenkorbartigen Gesprächen hier und da. So ist es vielleicht etwas ruhiger, intensiver, man kommt mal wieder zum Spielen und man erfährt vielleicht von dem ein oder anderen viel mehr oder findet sogar in kleiner Runde gemeinsamen Gesprächsstoff. Also ich denke, das hat auf jeden Fall eine andere Qualität, die im Augenblick für mich wohltuend und entlastend ist und auch neugierig macht.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es aber auch die Menschen, die schon seit Wochen auf soziale Kontakte komplett verzichten, weil sie sich eben Sorgen machen. Die möchten auch Weihnachten keine Ausnahme machen. Also, die sagen, ich feiere allein. Das hört man und sie sagen der Familie ab. Können Sie das verstehen? Selbst an Weihnachten keine Ausnahme zu machen, also wirklich allein dann auch zu feiern?

Ruster: Ja, habe ich absolutes Verständnis, um das mal ganz klar zu sagen. Also Weihnachten ist auch nur ein verlängertes Wochenende. Es ist ein Termin. Und, wenn erwachsene Kinder, die vielleicht sogar aus dem Ausland anreisen, dann sagen: Ich fürchte die Quarantäne, die mich packt, wenn ich wiederkomme. Ich möchte auch keine Ansteckungen mitnehmen. Ich bleibe lieber zuhause und komme dann mal zum Neujahresempfang vorbei und wir teilen uns insgesamt auf. Wir hätten vielleicht viel mehr Weihnachtsbesuch und dann wären ja schließlich auch Weihnachtsferien.

Der eine oder andere hat freie Tage, da kann man sich ja dann auch nochmal treffen beziehungsweise die Treffen verkürzen und vielleicht sogar mit Maske stattfinden lassen. Oder man kann sich einfach nette Geschenke ausdenken, die man vor die Türe legt und dann anschließend sehr lange miteinander telefonieren. Wir haben ja, Gott sei Dank, die vielen Möglichkeiten: Wir können auch zu skypen, in einen Videochat gehen, in der Zoom-Konferenz gemeinsam Geschenke auspacken. Also man kann sich auch die weiten Lieben ganz nah holen mit diesen ganzen Möglichkeiten.

Hochbetagte Menschen, die oft genug allein sind im Jahr und sich auf dieses Weihnachtsfest und die Begegnung gefreut haben, die sollte man nicht alleine lassen. Ich kenne Familien, die sagen: Also lieber holen wir die Oma nach Hause und die erwachsenen Kinder halten sich zurück und kommen später. Das wäre dann möglich, doch auch mit den alten Menschen schön zusammenzusitzen – unterm Baum – und nochmal die alten Lieder zu singen. Es geht doch Weihnachten darum, einander Freude zu bereiten, keinen Stress zu machen und sich auch nicht durch die Diskussionen um Corona auseinanderdividieren zu lassen. Das wirkt zerstörender als das Virus selbst.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Heidi Ruster / © Anja Sabel / Kirchenbote Osnabrück
Quelle:
DR
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