DOMRADIO.DE: Sie selber befinden sich gerade in Quarantäne, erleben also am eigenen Leib, dass das Virus näher rückt. Trotzdem sagen Sie, dass die Christmette zur späten Stunde erlaubt sein sollte. Warum?
Bischof Bertram Meier (Bistum Augsburg): Ich sage das einfach von Seiten der Liturgie. Wie der Name Mette schon sagt, geht es darum, zur späten Stunde oder um Mitternacht zu feiern. Es heißt ja auch: Es ist die Heilige Nacht. Vor diesem Hintergrund sollten wir schon versuchen, diese Christmette spät zu halten.
Andererseits – und das möchte ich nochmal ganz klar sagen: Als ich doch auch sehr deutlich gestern das Wort ergriffen habe, ging es mir nicht darum, irgendwelche Verordnungen des Staates zu unterlaufen. Ich bin mir bewusst, dass die Lage bitterernst ist. Aber mir geht es eher darum, dass wir besser miteinander in den Dialog treten. Wir wurden de facto von einer Pressekonferenz und gestern im Landtag informiert. Dass man einfach miteinander in Dialog tritt, Staat und Kirche – das wär mir lieber gewesen.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Messen denn Corona-konform geplant?
Meier: Nicht ich allein habe da geplant, der Bischof steht für viele andere: Seelsorgerinnen, Seelsorger, auch Frauen und Männer im Ehrenamt oder im Hauptberuf in der Kirche. Seit Monaten, nämlich spätestens seit Allerheiligen sind wir dabei, die Messen und die vielfältigen Gottesdienste auch anzubieten. Von Mittag bis zur Mitternacht, und zwar mit Pausen dazwischen, dass Leute rausgehen können. Dann kann man lüften und neu vorbereiten, dann auch Gottesdienste im Freien.
Vor allem ging es uns darum, durch die Vielfalt und die hohe Zahl von Gottesdiensten die Gemeinden klein zu halten und die Gruppen, die zusammenkommen, überschaubar zu halten. Wir haben auch personalisierte Eintrittskarten etwa für den Dom gemacht. Alles gut ausgebucht, mit Abstandsregeln, wie wir es hatten und mit vollkommener Maskenpflicht. Die Zelebranten, auch ich als Bischof, nehme sie nur ab, wenn ich das Gebet spreche oder predige oder die Wandlungsworte spreche.
Dann hätten wir sogar dem Staat vorgeschlagen, dass wir für Christmetten zu späterer Stunde Teilnahmebestätigungen ausgeben. Also Leute, die aus den Kirchen kommen, kriegen eine kleine Karte mit Stempel des Pfarramtes als Teilnahmebestätigung, eben nicht an einer privaten Glühwein-Party, sondern an einem Gottesdienst teilgenommen zu haben. Wir haben alles getan. Und da meine ich jetzt eben: Das ist ja den Politikern nicht unbekannt geblieben, was wir alles unternommen haben. Hätten wir vor zwei, drei Wochen klar gesagt bekommen: Liebe Herren Bischöfe, es geht so nicht, seid realistisch, wären wir sofort eingestiegen. Und wir werden alle in Bayern, so wie ich meine Mitbrüder kenne, mitmachen, was die Staatsregierung sagt. Wir hätten uns einfach rechtzeitigen Dialog gewünscht und nicht die Kommunikation über eine Pressekonferenz.
DOMRADIO.DE: Welche Folgen befürchten Sie denn, wenn jetzt die späteren Messen ausfallen?
Meier: Also ich befürchte auch keine zu großen Folgen. Denn ich glaube, dass die Menschen mittlerweile auch sehen, dass es andere Formen gibt, Weihnachten zu feiern. Ich hoffe sogar, dass in dieser Krise eine Chance liegt, dass aus dem Schmerz neues Leben entstehen kann. Jesus ist auch nicht in einem Palast von Jerusalem geboren und auch nicht in einem Hotel in Bethlehem zur Welt gekommen, sondern außerhalb am Rande der Stadt Bethlehem. Somit denke ich, könnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und auch andere Sender mit übertragenen Gottesdiensten und Streaming-Angeboten jetzt noch aktiver werden. Dann denke ich auch die schönen Programme, ich bin in Bayern, was da etwa auch der Bayerische Rundfunk den ganzen Heiligabend bietet. Zudem kann man die Bibel mal selber daheim wieder hernehmen und wesentlich werden.
Also ich rate dringend, trotzig Weihnachten zu feiern – und nicht mit verbissener Miene, sondern Corona zu trotzen. Trotzdem Weihnachten zu feiern, nämlich mit dem Kern des Festes. Gott wird Mensch, damit wir Menschen auch wieder menschlicher werden. Das ist auch ein Vorsatz, den ich mir persönlich fasse für die Zeit nach Corona. Ich, Bertram, auch als Bischof, bleibe Mensch und werde vielleicht auch in deinem Dienst noch menschlicher.
DOMRADIO.DE: Mal abgesehen davon, was die bayerische Landesregierung beschlossen hat. Sie haben sich auch über das "wie" geärgert, nämlich dass die Regierung eben nicht kommuniziert hat und dass der Dialog nicht so stattgefunden hat. Was glauben Sie, wie es jetzt weitergeht? Kommen Sie da jetzt noch in guten Dialog?
Meier: Ich glaube, jetzt sind die Würfel gefallen. Ein auch geistliches Wort, das ich mir selber immer wieder zuspreche, ist: Umblättern. Wir müssen dieses Kapitel schließen. Es ist so, wie es ist. Wir sind in der Krise und müssen auf Sicht gehen. Wir werden uns selbstverständlich daran halten. Ich tue das auch in der Diözese.
Ich muss allerdings auch bei Gläubigen aufpassen, die sehr auch an äußeren Formen hängen, für die diese Formen wichtig sind. Da gilt es, zu sagen: Leute, was ist uns jetzt wichtiger? Weihnachten steht und fällt nicht mit dem gesungenen Gesang der Gemeinde "Stille Nacht" oder mit einer großen, konzertanten Messe. Ich werde hier beruhigen und alle mitzunehmen versuchen. Das ist das – umblättern jetzt.
Aber im Blick auf die Zukunft gehts mir schon darum, dass uns diese Weihnachtsüberraschung, diese schöne Bescherung der letzten Tage erspart bleibt im Blick auf die Karwoche und Ostern. Ende März beginnt bereits die Karwoche. Und wenn wir da wieder die Laien aktivieren wollen, kreativ zu sein mit verschiedenen Formen der Gottesdienste, auch um Kinder etwa einzubinden und uns passiert es wieder, dann können wir auch Laien entmutigen. Da bitte ich wirklich jetzt schon darum, und das setze ich mir auch zum Vorsatz, rechtzeitig selber auch vonseiten der Kirche – was ich als Augsburger Bischof tun kann – in die Offensive zu gehen und realistische Pläne zu machen. Und wenn wir jetzt schon sagen können, es wird auch die Kar- und Osterwoche klein sein müssen, dann bitte ich nur darum, dass wir das gesagt bekommen, damit wir nicht falsche Hoffnungen wecken. Darum geht es mir.
Das Interview führte Dagmar Peters.