Ich habe dort keine Bleibe mehr." Die 49-Jährige versuchte bereits am Anfang des Krieges 2022 nach Berlin zu kommen. An der Grenze wurde sie dann aufgehalten. "Man ließ mich nicht raus, weil ich Ärztin war.
Ich sollte den Ukrainern mit meiner Tätigkeit helfen", berichtet die Allgemeinmedizinerin.
Erst ein paar Monate später gelangte sie mit einem Kinderfluchttransport aus Mariupol nach Deutschland, den sie als Ärztin begleitete. Seitdem lebt sie mit ihrem Sohn in Berlin. "Ich fühle mich hier sehr wohl und bin unglaublich froh, hier zu sein", sagt sie. Einrichtungs-Leiterin Michalak ergänzt: "Tatjana ist immer optimistisch. Sie ist bereit, anderen Menschen zu helfen, obwohl sie es selbst nicht leicht hat."
Die inneren Konflikte, unter denen Anrufer leiden, sind ganz unterschiedlich. Vor allem posttraumatische Belastungsstörungen haben seit Kriegsbeginn zugenommen, aber es melden sich auch viele wegen Depressionen, Existenzängsten oder Einsamkeit, sagt Michalak: "Wir können die Situationen nicht ändern, in denen sich Menschen befinden.
Wir können nur versuchen, mit ihren Gefühlen zu arbeiten und helfen, auf dieser Grundlage Entscheidungen zu treffen".
Ein großes Thema sei die Sorge um die Familie in der Ukraine – und seit dem Hamas-Angriff auch in Israel: "Es gibt ja in Deutschland einige jüdische Flüchtlinge aus der Ukraine, die Verwandte in Israel haben", sagt Michalak.
Aus Russland direkt riefen zwar keine Menschen an, erklärt sie. Aber es hätten sich schon Russen aus anderen Ländern gemeldet, die dort etwa nicht ins Hotel gelassen würden wegen ihres russischen Passes. "Das war gerade zu Kriegsanfang so", sagt Michalak.
Nummer wird verborgen, Rückruf ausgeschlossen
Sie selbst lebt seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland, wanderte mit 18 Jahren zusammen mit ihrer Familie aus dem westukrainischen Tschernowitz nach Berlin aus. Welche Anrufe gehen ihr noch lange nach, welche nehmen sie am meisten mit?
Die Psychologin erinnert sich an den Anruf einer Mutter aus der Ukraine nach Ausbruch des Krieges. "Seit zwei Monaten hielt sie ihren Sohn im Keller versteckt. Sie wollte nicht, dass das ukrainische Militär den 16-jährigen einzog. Und sie wollte nicht, dass er in russische Gefangenschaft geriet. 'Was soll ich nur tun?', fragte sie mich immer wieder. 'Mein Sohn schreit, dass er raus will, dass er zu allem bereit ist, auch bereit zu sterben – nur gefangen sein, das will er nicht mehr.'"
Tatjana Michalak weiß nicht, wie die Frau sich entschieden hat und was aus ihr und ihrem Sohn geworden ist. Alle Anrufer der Telefonseelsorge sind anonym; die Mitarbeiter können sie nicht zurückrufen, sehen die Nummer nicht. Und irgendwann rief die Frau nicht mehr an. "Wir wissen nicht, wie die Geschichten von den Menschen ausgehen, die sich bei uns melden", sagt Michalak: "Es ist etwas, das wir aushalten müssen."