Sachverständigenrat lobt Religionsfreundlichkeit in Deutschland

Die bunte Republik

Deutschland wird bunter - das betrifft auch die Vielfalt der Religionen. Der Sachverständigenrat der deutschen Stiftungen untersuchte, welche Folgen sich daraus ergeben - und gab auch ein paar Empfehlungen für die Zukunft mit.

Autor/in:
Birgit Wilke
Religionsvielfalt nimmt zu / © Stephanie Pilick (dpa)
Religionsvielfalt nimmt zu / © Stephanie Pilick ( dpa )

Wissenschaftler sprechen von gegenläufigen Entwicklungen: Es gibt in Deutschland eine stärkere Säkularisierung der Gesellschaft. Aus dieser Tatsache anzunehmen, dass das Religiöse an Bedeutung verliert, sei aber falsch. Deutschland befinde sich in einem Stadium des Übergangs, so der Sachverständigenrat der deutschen Stiftungen (SVR). Folgerichtig trägt dessen Jahresgutachten, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, den Titel: "Viele Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland". 

Zunehmender Verzicht auf "institutionelle Mitgliedschaft" in einer Religion

Fakt sei aber, so die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld, dass immer mehr Deutsche auf eine "institutionelle Mitgliedschaft" in einer Religion verzichteten. Dies bekämen vor allem die Kirchen zu spüren: Gehörten 1970 in der Bundesrepublik noch nahezu 95 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an, seien es heute bundesweit noch 65 Prozent. Zugleich gebe es aber eine neue Religiosität: Der Islam sei hier heimisch geworden, so Langenfeld. Zudem habe sich das Judentum wieder neu etabliert.

Sie plädierte dafür, auch diesen Religionen ähnliche Rechte wie den Kirchen zuzugestehen. Zugleich erteilte sie allen politischen Versuchen eine Absage, den Islam auszugrenzen. Dies sei nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Die "Religionsfreundlichkeit" in Deutschland habe sich zwar bewährt, so ein Fazit des Gutachtens. Es müsse aber "Nachbesserungen" geben. Zudem finde die Religionsfreiheit da ihre Grenzen, wo sie die Rechte anderer angreife.

In der Studie verweisen die Experten dabei unter anderem auf das kirchliche Arbeitsrecht, das "Religionsgemeinschaften gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht weitreichende Sonderrechte einräumt". Langenfeld empfahl den Kirchen, dieses weiter zu reformieren. Es sei zwar verfassungsrechtlich garantiert, stoße aber gesellschaftlich auf immer weniger Akzeptanz.

Weitere Reformen durchführen?

Da es durch Gerichtsurteile derzeit eher "zementiert" werde, müssten die Kirchen von sich aus Reformen einleiten. Wenn es diese nicht gebe, müsse man folgerichtig auch anderen Religionen ähnliche Rechte zugestehen, meinte Langenfeld. Zugleich würdigte sie die im vergangenen Jahr eingeleiteten Reformen der katholischen Kirche, nach denen unter anderem zivilrechtliche Wiederverheiratung oder Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nur noch in "schwerwiegenden Fällen" arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung haben kann.

Aber auch bei anderen Religionen mahnt das Gutachten zur Achtsamkeit: So würden beim Aufbau einer islamischen Theologie an deutschen Hochschulen Verbänden mit "fraglicher Legitimität" zu große Mitspracherechte eingeräumt. Die vom Gesetzgeber in großer Eile erlassene Beschneidungsgestattung lasse vor allem hinsichtlich der Schmerzbehandlung der Kleinkinder einiges im Unklaren. 

Terror als Gutachten-Thema

Auch dem Thema Religion und Terror widmet das Gutachten ein Kapitel: Nach Expertenansicht gibt es keinen einfachen Zusammenhang zwischen Religion und Terror. Zwar könne es Wechselbeziehungen geben, diese seien aber immer komplex. Es müssten stets noch andere Faktoren hinzukommen, damit Menschen Terror mit ihrer Religion "legitimierten".

Zugleich wiesen es die Experten aber als falsch zurück, den im Namen des Islam ausgeführten Terrorismus gänzlich von religiösen Fragen zu trennen und auf Faktoren wie Diskriminierung und Arbeitslosigkeit zu verweisen. Denn Studien zeigten, dass Terroristen keineswegs alle aus benachteiligten Milieus stammten. Bildung und Zugang zum Arbeitsmarkt seien deswegen wichtige Instrumente zur Terrorismusbekämpfung, aber keineswegs ein Allheilmittel. Die "politisch korrekte Empörung", dass der heutige Terror "nichts mit dem Islam" zu tun habe, sei also nicht völlig falsch, aber auch nicht vollkommen richtig.

Der Staat solle auch Erwartungen an die Religionsgemeinschaften formulieren und sich der Probleme bewusst sein, die ein "religionsrechtlicher Multikulturalismus" mit sich bringen könnte, empfahlen die Experten.


Quelle:
KNA