DOMRADIO.DE: Diese internationalen Friedenstreffen haben eine lange Tradition. Papst Johannes Paul II. hat sie erstmalig 1986 in Assisi eröffnet. Was ist das Besondere dieser Zusammenkünfte?
Pfarrer Dr. Matthias Leineweber (Sant`Egidio Deutschland): Ja, die Idee war, Religionsvertreter und Oberhäupter zu einem Gespräch einzuladen und sich über den Frieden auszutauschen. Zum Beispiel darüber, wie die Religionen in ihren Traditionen die Ressourcen des Friedens stärken können. Religionen sollten nicht benutzt werden, um Gewalt zu befürworten oder für den Krieg eingesetzt werden, um den Konflikt zu rechtfertigen.
Die Idee von Johannes Paul II. und dieser Treffen besteht seit 38 Jahren darin, dass die Religionen sich für den Frieden, für die Versöhnung und für den Austausch stark machen. Die Treffen sind sehr wichtig, um Brücken zu bauen, Begegnungen zu schaffen und sich gemeinsam vorzustellen, was Religionen in unseren Ländern und Gesellschaften von Asien über Amerika, Europa und bis Afrika bewirken können.
DOMRADIO.DE: Angesichts all der Kriege und Konflikte in der Welt ist eine friedvolle Welt für viele kaum vorstellbar. Sie aber setzen der Resignation ihr "Imagine Peace" entgegen. Warum ist das so wichtig an der Vorstellung, am Ideal des Friedens festzuhalten?
Leineweber: Wir dürfen uns nicht mit einer Welt abfinden, die immer mehr in den Krieg abgleitet. Papst Franziskus spricht schon von einem Dritten Weltkrieg in Bruchstücken. Wir wollen nicht akzeptieren und hinnehmen, dass aus den ganzen Konflikten ein Dritter Weltkrieg wird.
Dafür müssen alle Kräfte eingesetzt werden, die Frieden stärken, Versöhnung schaffen und Wunden heilen. Dabei sind die vielen Vertreter der Religionen durch ihre Traditionen sehr wertvoll, weil sie sich auch im Gespräch für Politiker öffnen. Frankreichs Staatspräsident Macron wird am Sonntag für Nichtgläubige sprechen, die gerade in Frankreich und Europa eine immer stärkere Rolle spielen.
So wollen wir ein großes Netzwerk der Friedensarbeit aufbauen. In dieser so sehr von den Konflikten geprägten Zeit zeigt sich, dass Friede eben kein selbstverständlicher Zustand ist, der sich nie ändert. Man muss immer wieder neue Ideen finden, um den Frieden aufzubauen.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen in Ihrer Einladung vom "Friedensvolk", das sich nicht abfinden will mit Krieg und Gewalt. Wer ist denn dieses Friedensvolk?
Leineweber: Ja, es ist sehr wichtig bei diesen Treffen, dass sie auch offen für die Bevölkerung sind. Das ist der Sinn. Es ist kein Mediationstreffen von Experten, die den Konflikt genau analysieren, sondern es sollen auch die Kräfte in der Bevölkerung sensibilisiert werden. Heutzutage wissen wir in unseren Gesellschaften, dass der Friede auch in unserem Alltag ein Thema ist.
Das heißt, dass es wichtig ist, diesen Zusammenhang herzustellen und Brücken zwischen den Religionsvertretern in der Bevölkerung zu bauen. Vor allen Dingen sind die Jugendlichen eine große Sorge. Am Samstag wird es auch ein großes Jugendtreffen geben. Am Nachmittag werden viele Schulen und Unis aus Paris mit einbezogen. So war es auch beim Treffen im vergangenen Jahr in Berlin.
DOMRADIO.DE: Bis zum Abschluss des Treffens veranstalten sie eine ganze Reihe Foren. Was genau ist so ein Forum und was sind die Themen?
Leineweber: Friede ist sehr vielfältig. Es gibt sehr viele Aspekte zu dem Thema. Angefangen bei den Flüchtlingsdramen über Armut bis zu Nuklearwaffen. Diese Foren beschäftigen sich mit solchen Detailfragen, die das Thema Frieden mit betreffen. Experten sind dort im Gespräch und kommen in Diskussionen mit der Bevölkerung.
Man kann Fragen stellen und es gibt Statements. Zwei wichtige Themen möchte ich mal herausgreifen. Ein Thema wird zum Beispiel die Demokratie sein. Warum brauchen wir die Demokratie? Wie kann man die Demokratie wieder stärken? Dazu findet ein Diskussionsforum statt.
Ein anderes Thema ist die große Gefahr durch die Verbreitung von Atomwaffen. In den 80er-Jahren haben wir abgerüstet. Jetzt will man wieder aufrüsten. Es geht darum, wie wir wieder zurück zur Abrüstung kommen. Welche Ideen gibt es dazu? Was kann man sich vorstellen? Welche Wege können wir einschlagen?
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich? Was soll von diesem Treffen ausgehen? Was soll da passieren? Welches Zeichen wollen Sie setzen?
Leineweber: Vor allen Dingen soll ein Zeichen der Hoffnung in dieser Zeit ausgehen. Ich habe oft den Eindruck, dass man sich ein bisschen mit diesen ganzen Konflikten abgefunden hat. Das Treffen soll zeigen, dass wir etwas tun können und es dabei auf jeden ankommt, der sich interessiert, der mitmacht, der Ideen sammelt und sich in der Friedensbewegung engagiert.
Es sind einige Friedensbewegungen entstanden in diesen 38 Jahren, die wir durch das Treffen stärken und unterstützt wollen, weil sie sich wirklich für Frieden und Versöhnung einsetzen. Als Drittes möchten wir die Religionen auf diesem Weg des Friedens stärken. Damit sie davor bewahrt werden, sich zu sehr in den Konflikten benutzen zu lassen, indem sie Kriege oder Gewalt rechtfertigen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.