"Wir haben viel in Waffen investiert, aber zu wenig in Diplomatie", sagte Zucconi am Mittwochabend in Münster. Es gelte, sowohl die Freiheit der Ukraine zu schützen als auch Leid für sie zu vermeiden. "Der einzige Weg dazu sind Diplomatie und Gespräch."
Je länger sich der Krieg hinziehe, desto weiter rücke der Friede in die Ferne, mahnte der Italiener und studierte Politikwissenschaftler. "Es besteht die Gefahr, dass weitere Länder sich einmischen, und die atomare Gefahr ist nach wie vor präsent."
Vermittler in mehreren Konfliktregionen
Die Gemeinschaft Sant'Egidio wurde 1968 in Rom von Studenten gegründet. Sie verbindet Gebet und sozial-karitatives Engagement. Heute ist sie international an sozialen Brennpunkten sowie als Vermittler in mehreren Konfliktregionen tätig. Auch in der Ukraine ist sie eigenen Angaben zufolge engagiert. Der päpstliche Vermittler im Ukrainekrieg, Kardinal Matteo Zuppi, ist ebenfalls Mitglied der Gemeinschaft.
Die Ukraine habe im vorigen Jahrhundert viel Leid erlebt, so Zucconi. Der verheerende russische Angriff habe dazu geführt, dass die Ukrainer eine stärkerer nationale Identität verspürten als zuvor. "Putins Aggression hat das Gegenteil von dem bewirkt, was er sich erhofft hat." Doch auch wenn es gelingen sollte, den russischen Angriff zurückzuschlagen, zahlten die Menschen dafür einen schrecklichen Preis. Manche Beobachter gingen bis jetzt von 200.000 Toten aus, andere gar von mehr.
"Sinn für Komplexität"
Ursache für den Krieg ist laut dem Generalsekretär eine zunehmende Polarisierung. "Wir befinden uns in einer Zeit der schrecklichen Vereinfacher", hob er hervor. "Es braucht aber den Sinn für Komplexität, um Geschichte zu verstehen." Der Krieg in Syrien habe den Weg für den brutalen, totalen Krieg Russlands gegen die Ukraine vorbereitet. "Wer ist in Europa für Syrien auf die Straße gegangen?", fragte Zucconi.