Schweizer Bundespolizei sieht Kyrill I. als Ex-KGB-Agent

"Vorsicht vor diesen Priestern"

Schon länger gibt es Gerüchte, wonach der heutige Moskauer Patriarch Kyrill während des Kalten Kriegs in Genf als KGB-Agent tätig gewesen sei. Akten im Schweizer Bundesarchiv geben Belege für diese These.

Autor/in:
Raphael Rauch
Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Robert Duncan (KNA)
Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Robert Duncan ( KNA )

Laut der Schweizer Bundespolizei ist der heutige Moskauer Patriarch Kyrill I. während des Kalten Kriegs in Genf als Agent des russischen Geheimdienstes (Komitee für Staatssicherheit, KGB) tätig gewesen. Im Bundesarchiv in Bern liege ein Dossier über "Monsignor Kirill", berichtete die "SonntagsZeitung" in Zürich. Darin werde bestätigt, dass Kyrill dem KGB angehörte.

37 Einträge lassen sich demnach zwischen Juli 1969 und Februar 1989 in Kyrills Akte finden. Die meisten bezögen sich "lediglich auf seine Visa-Anträge und Einreisen in die Schweiz", schreibt die Zeitung.

Zweimal werde allerdings vermerkt, dass "der Priester in einem Verzeichnis von sowjetischen Funktionären stehe, gegen die Maßnahmen ergriffen wurden". Welche Maßnahmen das waren, wird nicht erläutert.

Viele Fragen

Russisch-orthodoxe Kirche

Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche. In Russland bekennen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung zu ihr - etwa 100 Millionen Menschen. Fast alle übrigen früheren Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls zu seinem kanonischen Territorium.

Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate (shutterstock)
Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate ( shutterstock )

Das Blatt zitiert einen Genfer Bürger, der sich an die Zeit des Kalten Krieges erinnert: "Uns wurde gesagt: Vorsicht vor diesen Priestern, das sind KGB-Agenten." Im Gespräch mit Kyrill habe er "immer das Gefühl" gehabt, "dass er nach Informationen sucht. Er war sehr freundlich, aber stellte viele Fragen über die Exilgemeinde und den Klerus."

Laut dem deutschen evangelischen Theologen Gerhard Besier versuchte der KGB in den 70er und 80er Jahren, Einfluss auf den Weltkirchenrat zu nehmen. Dieser sollte "auf Kritik an der Einschränkung der Religionsfreiheit in der UdSSR" verzichten "und stattdessen die USA und deren Verbündete" kritisieren.

In Genf lebt ein Neffe Kyrills. Er sagt, sein Onkel sei damals wohl kein Agent gewesen, habe aber "unter strikter Kontrolle des KGB" gestanden. Das habe allerdings keineswegs "die Aufrichtigkeit seines Engagements für die ökumenische Arbeit mit anderen Kirchen beeinträchtigt", zitiert ihn das Blatt.

Finanzielle Interessen

Auch berichtet die "SonntagsZeitung" über finanzielle Interessen der russisch-orthodoxen Kirche in der Schweiz. Das Blatt zitiert einen ehemaligen Schweizer Bundespolizisten, wonach der damalige Patriarch Alexij II. in den 90er Jahren im Privatjet nach Genf geflogen sei, um die von der russischen Regierung zugeteilten Ölkontingente zu verkaufen. Zwar gebe es keine Belege dafür, dass der heutige Patriarch Kyrill in diese Genfer Ölgeschäfte verwickelt war.

Allerdings, so die Zeitung, "war er von 1989 bis 2008 für die Aussenbeziehungen der russisch-orthodoxen Kirche zuständig und stand dem Patriarchen Alexij II. sehr nahe".

Im Mai 2006 erhielt Kyrill die von der Freiburger Theologin Barbara Hallensleben ins Leben gerufene und gestiftete Auszeichnung "Silberne Rose des heiligen Nikolaus". Damals hieß es, die "Silberne Rose" ehre "Menschen, die sich um die Einheit der Kirchen des Ostens und des Westens bemühen". Davon kann heute keine Rede mehr sein: Das Moskauer Kirchenoberhaupt gilt als wichtiger Verbündeter Wladimir Putins.

"Putins Messdiener"

Kyrills Unterstützung für den russischen Einmarsch in die Ukraine sorgte wiederholt international für Empörung. Großbritannien, Litauen und Kanada belegten ihn mit Sanktionen. EU-weite Strafmaßnahmen gegen den Patriarchen scheiterten am Veto Ungarns. Papst Franziskus warnte Kyrill in einem Video-Gespräch davor, "Putins Messdiener" zu werden.

Erst am Donnerstag lobte Kyrill den einstigen KGB-Funktionär Putin wieder: "Er ist orthodox, nicht um sich beliebt zu machen, nicht um gewählt zu werden, sondern ein echter Orthodoxer, der die heiligen christlichen Sakramente empfängt und ein kirchliches Leben lebt. Nicht immer waren die Zaren so orthodox wie jetzt unser Präsident", so Kyrill.

Quelle:
KNA