Gestörte Verbindung zwischen Vatikan und Kirche in Deutschland

Schwierige Verständigung über die Alpen

Nicht nur in Deutschland gibt es Enttäuschung über das Nein des Vatikan zu Segnungen für Homosexuelle. Empörung allerdings äußert sich andernorts verhaltener - erneut ein Indiz für gestörte Verbindungen über die Alpen.

Autor/in:
Roland Juchem
Regenbogenfahne / © Alexandre Chellali (KNA)
Regenbogenfahne / © Alexandre Chellali ( KNA )

Kritik am jüngsten Nein der Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Paare kommt nicht nur aus Deutschland. "Nur zu sagen, 'Wir können nicht, wir können nicht', reicht einfach nicht", empörte sich vergangene Woche der Vorsitzende der Australischen Bischofskonferenz, Erzbischof Mark Coleridge, im Gespräch mit dem britischen "Tablet".

Die Antwort der Kongregation könne ja "wichtig sein, ist aber nur eine Aussage in einer viel, viel längeren und komplexeren Debatte". Die sei keinesfalls beendet; vielmehr befeuere der Text eine weitere Debatte um Inklusion.

Das ist auch für Italien zu erwarten. Bisher seien Segnungen für Homosexuelle kein Thema gewesen, sagte der Seelsorger und Theologe Pino Piva der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Nach dem Nein der Glaubenskongregation werde sich das aber ändern. Doch wenn, dann belebt sich die Debatte in beide Richtungen.

"So wichtig ist Deutschland nun auch nicht"

Mitte März rief der US-Theologe und Historiker George Weigel die Bischöfe der Weltkirche auf, ihre Mitbrüder in Deutschland zurechtzuweisen. Die bislang veröffentlichten Texte des Synodalen Weges bezeichnete er als "Wortsalat, der von ideologisch verbohrten Akademikern und machtgetriebenen Kirchenbürokraten zusammengebraut wurde", sowie als "Apostasie [Glaubensabfall] im Dienste des postmodernen Credo".

Nicht nur deutsche Debatten, so ist aus Kurienkreisen zu hören, hätten die Kongregation für die Glaubenslehre zu ihrer Antwort veranlasst. "So wichtig ist Deutschland nun auch nicht", meint ein Kurialer. Auch aus Mexiko, Brasilien und USA gebe es Anfragen. Wenn überhaupt, läuft die Debatte jenseits des Atlantiks deutlich verhaltener.

Andernorts geäußerte theologische Kritik an vatikanischen Texten ist auch aus manch römischer Sicht berechtigt, zumindest sehr verständlich. Darauf einzugehen, wird für Südländer schwierig, wenn sie in oberlehrerhaftem, teils bissigen Ton daherkommt. Der mag von Absendern nicht beabsichtigt sein, aber in Italien wird er so empfunden. Insofern bilden die Alpen auch eine kulturelle Hürde.

Der Ton macht die Musik

Bolognas Kardinal Matteo Zuppi bestätigte der KNA unlängst, in Italien von Medien befeuerte kirchliche Diskurse in Deutschland würden "selektiv und ideologisiert" aufgenommen. Daher ist zuletzt immer wieder zu hören: Die Beteiligten - Bischöfe, Laienvertreter, Kuriale auf höherer und mittlerer Ebene - sollten sich endlich Zeit nehmen für persönliche Gespräche.

Für Kurienmitarbeiter, nicht nur italienische, ist der persönliche Austausch als vertrauensbildende Maßnahme ungemein wichtig. Dabei macht der Ton die Musik; und beim gemeinsamen Essen geht - wenn nicht unbedingt Liebe - so doch Verständnis auch durch den Magen.

Pandemiebedingt mussten solche vertrauensbildenden Maßnahmen bisher leider ausfallen.

Franziskus selbst ist dem Vernehmen nach etwas enttäuscht, dass sein sehr persönlicher Brief an die deutschen Katholiken von 2019 nur wenig wahrgenommen werde. Für ihn sind Ton und Atmosphäre einer Debatte ein wichtiges Kriterium von Synodalität. Das Bemühen, die andere Seite zu verstehen, ist für ihn ebenso wichtig wie ein Argument selbst.

Dass der Papst nicht nur mit forschen Deutschen Schwierigkeiten hat, belegt sein unsanfter Schubs an die italienischen Bischöfe, endlich einen synodalen Prozess beginnen. Nach Aussage eines langjährigen deutschen Kurienmitarbeiters krankt die Kirche in Italien daran, dass viele Bischöfe für sich bleiben und kaum kontrovers diskutieren.

Franziskus nicht leicht zu verstehen

Allerdings macht es auch Franziskus nicht immer leicht, ihn zu verstehen. Diverse aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen zum Thema Homosexualität sorgten für Aufregung und Unsicherheit. Seine verzweifelten Kommunikationsleute, die ihn zu Klärung drängten, soll er angewiesen haben, sich nicht zu äußern. Als ob Franziskus beobachten wollte, welche Kreise seine ins Wasser geworfenen Steine ziehen. Dass sich Interpretationen zu überzogenen Erwartungen steigern, scheint er in Kauf zu nehmen - ebenso umso heftigere Enttäuschung und Kritik.

Ab und zu, so meint man, versetzt er einer Debatte einen zusätzlichen Effet. So lautet die protokollarische Notiz am Ende des jüngsten Nein der Glaubenskongregation: Der Papst wurde "über das vorliegende Responsum ad dubium (...) informiert und hat die Veröffentlichung gutgeheißen". Meist lautet die Formulierung, der Papst habe das betreffende Schreiben "gutgeheißen und seine Veröffentlichung angeordnet".

Ob Franziskus nicht so ganz hinter dem Nein steht? Kardinal Mario Grech, Generalsekretär der Bischofssynode, versicherte mehrfach, er sei bereit, zwischen den synodalen Prozessen, Wegen und Versammlungen weltweit und der Kurie zu vermitteln. Dies scheint dringend nötig.

Wenn nicht bald etwas passiert, gebe es einen Zusammenstoß "mit erheblichem Schaden auf beiden Seiten", vertraute ein langjähriger leitender Kurienmitarbeiter der KNA an. "Mindestens zwei Jahrzehnte sind dann nötig, um die Scherben einigermaßen zusammenzukitten."


Quelle:
KNA
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