Caritas Deutschland hat erleichert über die Freilassung der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete reagiert. "Bedrohten Menschen zu helfen muss weiter möglich sein", heißt es in einem Tweet.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) reagiert "mit Freude und Erleichterung" auf die Aufhebung des Hausarrests für die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte am Mittwochmorgen: "Ich sehe diese Entscheidung als Punktsieg für Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit und als ermutigendes Zeichen, dass bestimmte Grundorientierungen, die für das Recht überall in Europa verbindlich sind, nicht zur Disposition stehen."
Beford-Strohm: "Menschen vor dem Ertrinken zu retten, hat immer Vorrang"
Viele Menschen in Politik und Zivilgesellschaft hätten diese Orientierungen in den letzten Tagen stark gemacht und damit Flagge gezeigt, so der Bischof: "Menschen vor dem Ertrinken zu retten, hat immer Vorrang. Diejenigen, die das als einzige noch organisiert tun, dürfen nicht kriminalisiert werden."
Jetzt sei es dringliche Aufgabe der Politik, einen Mechanismus zu etablieren, der die Anlandung von geretteten Menschen und ihre Verteilung auf aufnahmebereite Länder verlässlich regelt «und damit verhindert, dass wir das unwürdige Drama der letzten Wochen noch einmal erleben", betonte Bedford-Strohm. Einen europäischen Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge hatten der EKD-Ratsvorsitzende und der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, schon Anfang Juni gemeinsam im "Palermo-Appell" gefordert.
Auch Amnesty International begrüßte die Entscheidung, die "die Rechtmäßigkeit der Arbeit von Seenotrettern und die Bedeutung des Menschenrechtsschutzes" unterstreiche. Amnesty-Generalsekretär Markus Beeko kritisierte zugleich "die zunehmende Kriminalisierung von Seenotrettern und anderen Menschen, die sich für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten einsetzen". Diese würden Leben retten, während die EU-Mitgliedstaaten "ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Seenotrettung ignorieren".
Kapitänin Rackete sei ihrer Pflicht zur Rettung von Menschenleben gefolgt
Ärzte ohne Grenzen erklärte, man sei froh über die Freilassung, aber "erschüttert über die staatlichen Maßnahmen gegen die Sea-Watch-Crew". Helfer in Libyen könnten täglich erleben, wie lebensbedrohlich die Situation von Flüchtlingen dort sei. Daher dürften die EU-Staaten das Zurückbringen von Migranten nach Libyen nicht zulassen: "Die Kriminalisierung und Blockade der zivilen Seenotrettung muss sofort beendet werden, und die EU muss dringend selbst ausreichend Rettungsschiffe zur Verfügung stellen."
Eine Ermittlungsrichterin im sizilianischen Agrigent hob am Dienstagabend den Hausarrest gegen Rackete auf. Die 31-Jährige hatte in der Nacht zum Samstag die "Sea-Watch 3" mit 40 Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert und beim Anlegen ein Boot der italienischen Küstenwache touchiert. Daraufhin wurde sie festgenommen.
Richterin Alessandra Vella schloss das Vergehen des Widerstands und der Gewaltanwendung gegen ein Kriegsschiff aus. Auch der Widerstand gegen italienische Beamte sei insoweit zu rechtfertigen, als die Kapitänin ihrer Pflicht zur Rettung von Menschenleben auf See gefolgt sei. Weiter habe Rackete sich zu Recht für das Anlegen auf Lampedusa entschieden, da weder Libyen noch Tunesien sichere Häfen böten.
Maas: "Brauchen europäische Lösung für Verteilung von Flüchtlingen"
Die deutsche Rettungsorganisation Sea-Watch twitterte: "Wir sind erleichtert, dass unsere Kapitänin frei ist! Es gab keinen Grund, sie festnehmen zu lassen, da sie sich lediglich für Menschenrechte im Mittelmeerraum eingesetzt und Verantwortung übernommen hat, wo keine europäische Regierung es tat." Das beschlagnahmte Schiff "Sea-Watch 3" wurde unterdessen in den Hafen von Licata südöstlich von Agrigent überführt.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Entscheidung der Richterin. Er sei "erleichtert", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Der Fall zeige noch einmal auf dramatische Weise, "dass wir endlich eine europäische Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen brauchen".
Italiens Innenminister Matteo Salvini reagierte mit wütenden Tweets: "Ungehorsam gegenüber staatlichen Gesetzen, italienische Soldaten angreifen, rammen, riskieren, sie umzubringen: das verdient keine Gefängnisstrafe. Und das soll 'Gerechtigkeit' sein?"