DOMRADIO.DE: Gibt es ein Ergebnis?
Monsignore Joachim Schroedel (Seelsorger in Ägypten): Mit dem Ergebnis muss man sich etwas Zeit lassen. Gestern Abend um 22 Uhr sind die Wahllokale geschlossen worden. Die Meldungen sagen: Jetzt wird man anfangen zu zählen. Die Wahlbeteiligung war wohl recht bescheiden. Schon bei der Wahl 2014 - also vor vier Jahren - da gab es nur eine Wahlbeteiligung von 47 Prozent. Jetzt soll sie wohl noch geringer ausgefallen sein. Die Wahlbeteiligung sagt schon einiges aus.
DOMRADIO.DE: Die Wahl wurde gestern ja noch um eine Stunde verlängert - weil die Wahlbeteiligung so gering war?
Schroedel: Die National Election Authority - also eine Gruppe von meist Richtern, die über die Wahl wachen sollen, haben die rechtliche Handhabe 500 ägyptische Pfund als Strafe gegen Nichtwähler auszusprechen. Dafür müssen sie herausbekommen, wer nicht wählt. Das könnte funktionieren. 500 Pfund sind zwar nur 25 Euro, aber das würde unter Umständen ein halbes Monatsgehalt ausmachen. Das wäre also eine sehr starke Drohung. Dennoch scheint die Wahlbeteiligung niedrig zu sein.
DOMRADIO.DE: Man kann, denke ich, festhalten: Von einer freien Wahl kann man hier nicht sprechen. Und die Welt schaut zu, oder?
Schroedel: Man kann vielleicht darüber sprechen, dass das eine Abstimmung ist, ob der derzeitigen Präsidenten in seinem Amt bleibt. Einige Kandidaten sind ausgefallen und der einzige Gegenkandidat Mostafa Moussa ist nicht wirklich ernst zu nehmen, weil mit seiner Ghad-Partei den derzeitigen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi unterstützt. Das ist alles nur pro forma.
DOMRADIO.DE: Gibt es dann nicht gerade den Drang etwas anderes haben zu wollen?
Schroedel: Gerade die jungen Menschen in Ägypten sind es müde, gesagt zu bekommen: "Ihr habt die große Wahl." Sie sagen, es ändere sich ja sowieso nichts. Es hat sich in den letzten vier Jahren vielleicht wirtschaftlich manches minimal geändert, aber für die Mehrheit der Bevölkerung und die ein Drittel Armen hier in Ägypten - sprich für 35 Millionen Menschen - hat sich nichts verbessert. Im Gegenteil. Es ist viel schlechter geworden.
DOMRADIO.DE: Was ist schlechter geworden?
Schroedel: Wir haben eine Teuerungsrate von zum Teil über 100 Prozent innerhalb eines Jahres. Manche sagen, wir geben dem Präsident weitere vier Jahre als Chance. Das wäre es aber auch.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn der Blick in die Zukunft?
Schroedel: Nach der Verfassung dieses Landes gibt es dann nur noch zwei Amtsperioden. Danach muss ein neuer Präsident her. Aber man hat schon alles Mögliche in Ägypten erlebt. Dass dann doch noch mal eine Veränderung der Verfassung stattfindet, dass kann man nicht ausschließen. Man muss hier in Ägypten sehr viel Geduld haben. Ägypten hat eine Siebentausend jährige Geschichte. Da ist die pseudo-demokratische Geschichte nur eine ganz kleine Sekunde im Verlauf der Historie.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind sie ja als Seelsorger in Ägypten. Wie steht denn die Kirche zu all dem?
Schroedel: Die koptisch-orthodoxe Kirche, die nur noch die Mehrheit der Christenheit stellt, ist sehr staatsnah. Man sieht immer wieder gemeinsame Auftritte von dem Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche mit hohen Würdenträgern aus der islamischen Seite. Die sind erst Recht eng mit dem Staat verbunden. Religion uns Staat sind ja hier nicht zu trennen. Das ist ja ein Grundpfeiler des Islam, dass der Staat nicht eine weltliche Parallelstruktur ist, sondern der Staat muss eigentlich auf der Religion fußen. Die christliche Gruppierung von etwa 10-15 Prozent ist vielleicht stiller, aber auf der Seite der Staatsführung.
Das Interview führte Verena Tröster