UN-Migrationsexpertin: Private Schiffe haben Zehntausende gerettet

"Seenotrettung ist überlebenswichtig"

Die UN-Organisation für Migration verlangt, staatliche Einschränkungen für private Seenotretter auf dem Mittelmeer zu beenden. Unterdessen steht die Crew der "Sea-Watch 4" vor ihrer ersten Mission - und stellt sich auf schwierige Bedingungen ein.

Seenotrettung im Mittelmeer / © Pavel D. Vitko (dpa)
Seenotrettung im Mittelmeer / © Pavel D. Vitko ( dpa )

Nach Einschätzung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist die private Seenotrettung im Mittelmeer für schiffbrüchige Migranten und Flüchtlinge überlebenswichtig. "Die privat betriebenen Schiffe haben Zehntausende Menschen gerettet", sagte die IOM-Sprecherin für Noteinsätze, Safa
Msehli, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf. Am Freitag liefen die letzten Vorbereitungen zum Auslaufen des aus kirchlichen Spenden mitfinanzierten deutschen Rettungsschiffs "Sea-Watch 4" aus dem spanischen Hafen Burriana.

"Sea-Watch 4"-Einsatzleiter Philipp Hahn sagte dem epd, er erwarte eine schwierige Mission. Die italienischen Behörden störten private Organisationen derzeit massiv bei ihren Einsätzen und hätten unter anderem die "Sea-Watch 3" mit der vorgeschobenen Begründung von technischen Mängeln festgesetzt. Hinzu komme die Corona-Pandemie. Es gelte, die Crew und die Geretteten vor Covid-19 zu schützen.

Der Druck, schnellstmöglichst loszufahren

Ursprünglich war das Auslaufen der "Sea-Watch 4", die etwa fünf Tage bis ins Einsatzgebiet vor der libyschen Küste braucht, bereits für Freitag erwartet worden. Dass sich solch eine aufwendige Mission jedoch wegen letzter technischer Arbeiten an Bord noch einmal verzögere, sei nichts Ungewöhnliches, sagte Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski dem epd: "Wir spüren den Druck, schnellstmöglichst loszufahren. Aber wir wollen natürlich bestmöglich vorbereitet starten."

IOM-Sprecherin Msehli sagte, da derzeit keine staatlichen Rettungsmissionen existierten, seien die privaten Retter die einzige Hoffnung für schiffbrüchige Migranten und Flüchtlinge. Sie verlangte, alle staatlichen Einschränkungen und Behinderungen für die privaten Missionen aufzuheben, und wies die Kritik an den Rettern zurück. Ein sogenannter Pull-Faktor, wonach die Rettungsschiffe die Migranten anzögen, sei nicht belegbar. Auch in Zeiten, in denen keine privaten
Retter auf dem Mittelmeer unterwegs sind, machten sich Migranten auf den Weg nach Europa.

Seetaugliche Boote von Schleppern

Im laufenden Jahr sei ein deutlicher Anstieg der Mittelmeer-Überquerungen zu verzeichnen, hielt Msehli fest. Seit Januar hätten 16.840 Menschen Italien und Malta erreicht. In der Vergleichsperiode des Vorjahres seien nur 5.500 Menschen über den Seeweg nach Italien und Malta gekommen. Die meisten Flüchtlinge und Migranten besteigen nach ihren Angaben in Libyen die oft nicht seetauglichen Boote von Schleppern.

Die "Sea-Watch 4" wurde vom Bündnis "United4Rescue" finanziert, das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiiert wurde. Die Idee eines kirchlichen Seenotrettungsschiffs im Mittelmeer geht auf den evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 zurück. Im Januar ersteigerte das Bündnis das Schiff für 1,3 Millionen Euro, darunter 1,1 Millionen Euro Spendengelder des Bündnisses, dem mittlerweile mehr als 550 Organisationen und Unternehmen angehören. Auch die rheinische, westfälische und lippische Landeskirche sowie einzelne Kirchengemeinden und Privatpersonen unterstützen das Bündnis. Im Februar wurde die "Sea-Watch 4" getauft und an die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch übergeben, die das Schiff im Auftrag des Bündnisses betreibt.


Quelle:
epd