Papstmesse am Nationalheiligtum Sastin mit Zehntausenden Teilnehmern

Seid "Zeichen des Widerspruchs"

Die 34. Auslandsreise von Franziskus endet mit einem Appell des Papstes an Kirche und Gesellschaft in der Slowakei. Im Marienwallfahrtsort Sastin fordert er mehr Mut zum Risiko - auch in Glaubensfragen.

Autor/in:
Alexander Pitz
Franziskus winkt Menschen aus dem Papa-Mobil zu / © Johannes Neudecker (dpa)
Franziskus winkt Menschen aus dem Papa-Mobil zu / © Johannes Neudecker ( dpa )

Für viele Slowaken war es nicht nur der Abschluss, sondern auch der Höhepunkt des Papstbesuchs in ihrem Heimatland: 26 Jahre nach Johannes Paul II. leitete Franziskus am Mittwoch vor dem Marienheiligtum Sastin die traditionelle Wallfahrt zur Mater Dolorosa. Beim Freiluftgottesdienst mit rund 50.000 Teilnehmern beendete er seine 34. Auslandsreise mit einem Appell: gegen eine "Bequemlichkeit der Gewohnheiten" und für mehr Mut zum Risiko - nicht zuletzt in religiösen Fragen.

Einerseits lobte er die Katholiken des Landes für ihre Frömmigkeit, forderte sie zugleich aber auf, sich nicht mit Ritualen oder alten Traditionen zu begnügen. Angesichts sozialer Missstände brauche auch die Slowakei prophetische "Zeichen des Widerspruchs" nach dem Vorbild Jesu Christi. Der Glaube lasse sich nicht "auf einen Zuckerguss reduzieren, der das Leben versüßt". Christen sollten Dialog fördern, aufnahmebereit und solidarisch sein, das Leben schützen und bewahren. Egoismus und Gleichgültigkeit hingegen seien nicht hilfreich, um "Licht in die Dunkelheit" zu bringen.

Mehr "Geschwisterlichkeit" und "soziale Freundschaft"

Mit diesen Worten nahm der 84-Jährige viele Elemente auf, die er bereits in den vergangenen Tagen in Budapest und in mehreren Städten der Slowakei angesprochen hatte. Als Pilger "im Herzen Europas" warb er getreu seiner Enzyklika "Fratelli tutti" unentwegt für mehr "Geschwisterlichkeit" und "soziale Freundschaft". Von gesundheitlichen Einschränkungen durch eine Darm-OP Anfang Juli war dabei nichts zu spüren. Im Gegenteil: Franziskus wirkte frisch und ging Konfliktthemen nicht aus dem Weg.

Etwa zum Auftakt der Reise am Sonntag beim Eucharistischen Weltkongress in Budapest. Eigentlich sollte durch die Anwesenheit des Papstes das zentrale Sakrament der katholischen Kirche, die in der Gestalt von Brot und Wein gefeierte Gegenwart Gottes, besonders gewürdigt werden. Medial wurde die Abschlussmesse mit mehr als 100.000 Besuchern auf dem Heldenplatz und ringsherum aber von der Begegnung mit Viktor Orban überlagert.

Die inhaltlichen und persönlichen Differenzen zwischen Ungarns Ministerpräsident und dem Bischof von Rom waren unübersehbar. Letzterer nutzte die kurze Budapest-Visite, um in mehreren Ansprachen - mal mehr, mal weniger deutlich - Kritik an Regierung, Kirchenführung und der ungarischen Gesellschaft zu üben. Dialog und mehr Mut zur Veränderung seien das Gebot der Stunde. Orban indes inszenierte sich mit einiger Raffinesse selbst als den wahren Verteidiger des Christentums und rechtfertigte so unausgesprochen seine ablehnende Haltung gegenüber muslimischen Migranten.

Positive Atmosphäre in der Slowakei

In der Slowakei, wo sich der Papst seit Sonntagnachmittag aufhielt, war die Atmosphäre weniger spannungsgeladen. Die sozialliberale Präsidentin Zuzana Caputova lobte ihren Gast in höchsten Tönen, bezeichnete ihn als "eine der aktuell größten moralischen und spirituellen Persönlichkeiten der Menschheit".

Als Wermutstropfen erwies sich allerdings das geringe Zuschauerinteresse bei den großen öffentlichen slowakischen Papst-Events. Wie im Vorfeld befürchtet ließen sich viele wegen der strengen und unübersichtlichen Corona-Schutzregeln von einer Teilnahme abhalten. Ursprünglich hatte man allein in Sastin mit rund 350.000 Teilnehmern kalkuliert; am Ende kam nur ein Bruchteil dessen.
Viele Plätze auf dem Feld vor dem Nationalheiligtum blieben am Mittwoch trotz des gesetzlichen Feiertags frei.

Besuch bei Roma-Minderheit

Die größte Symbolkraft der viertägigen Reise hatte sicher der Besuch am Dienstagnachmittag in der Trabantenstadt Lunik IX in Kosice. In der noch zu Sowjet-Zeiten erbauten sozialistischen Plattenbausiedlung leben heute rund 5.000 Angehörige der Roma-Minderheit in völlig verwahrlosten Verhältnissen. Franziskus erteilte «vorgefassten Meinungen, erbarmungslosen Urteilen, diskriminierenden Stereotypen» und Diffamierung von Roma eine klare Absage und warnte vor Schematisierungen von Menschen. Auf einem Platz zwischen den Plattenbauten rief er den Bewohnern zu: "Niemand halte euch oder jemand anderen von der Kirche fern!"

Insgesamt entsprach die Reise dem aktuellen Plan des Papstes, verstärkt kleine Länder Europas in den Blick zu nehmen, die weniger weltpolitisches Gewicht haben als etwa Deutschland, Frankreich oder Spanien. Franziskus weiß, dass die für den Kontinent eminent wichtige Migrationsfrage zunächst von den unmittelbar betroffenen Staaten an der EU-Außengrenze entscheiden wird. Insofern sind Ungarn und die Slowakei wichtige Adressaten für seine Solidaritätsappelle.


Polizisten und Anwohner in der größten slowakischen Roma-Siedlung / © Vondrou Roman/CTK (dpa)
Polizisten und Anwohner in der größten slowakischen Roma-Siedlung / © Vondrou Roman/CTK ( dpa )

Papstmesse in Presov / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papstmesse in Presov / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Papst Franziskus fährt im Papa-Mobil an Gläubigen vorbei / © Johannes Neudecker (dpa)
Papst Franziskus fährt im Papa-Mobil an Gläubigen vorbei / © Johannes Neudecker ( dpa )
Quelle:
KNA