Seit 400 Jahren singt man nun schon "Macht hoch die Tür"

Ein Lied, das Türen und Tore für Gott öffnet

Das Lied markiert den Beginn des neuen Kirchenjahres und der Adventszeit. Vor 400 Jahren schrieb ein Königsberger Pfarrer "Macht hoch die Tür". Der den Psalmen entstammende Liedtext handelt von der Öffnung des Menschen gegenüber Gott.

Autor/in:
Alexander Lang
Rothenburg ob der Tauber, weihnachtlich dekoriert / © kavalenkava (shutterstock)
Rothenburg ob der Tauber, weihnachtlich dekoriert / © kavalenkava ( shutterstock )

Georg Weissel (1590-1635) ahnte vor 400 Jahren nicht, dass er eines der beliebtesten Adventslieder schaffen sollte: Am zweiten Advent 1623 wurde im ostpreußischen Königsberg die neu gebaute Altroßgärter Kirche eingeweiht. 

Und der 33 Jahre alte lutherische Pfarrer und Kirchenliederdichter Weissel, der dort seinen Dienst aufnahm, verfasste eigens dafür ein Lied: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit." 

Es ruft die Menschen dazu auf, Gott freudig in ihre Häuser und ihre Herzen einziehen zu lassen.

Liedtext basiert auf Psalm 24

Der Text des volkstümlichen Chorals beruht auf dem Jubelruf aus dem biblischen Psalm 24: "Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!" 

In die Adventszeit passt er besonders gut: Christen erwarten die Ankunft des Gottessohnes Jesus Christus in der Welt.

Über die Jahrhunderte ist "Macht hoch die Tür" zu einem ökumenischen Klassiker geworden. 

Heilsamer Moment inmitten von Krisen

Im Evangelischen Gesangbuch trägt es die Nummer eins und markiert den Beginn des neuen Kirchenjahres und der Adventszeit. Einzug fand es auch in das katholische Gebet- und Gesangbuch "Gotteslob".

Schon seit 10 Jahren im Dienst: das Gebet- und Gesangbuch Gotteslob / © phaustov (shutterstock)
Schon seit 10 Jahren im Dienst: das Gebet- und Gesangbuch Gotteslob / © phaustov ( shutterstock )

Das Lied im schwingenden Dreiertakt trifft zum Jahresende bei vielen Menschen – ob fromm oder weniger fromm – einen besonderen Nerv. 

Es ergreift die Gefühle, schafft einen heilsamen Moment der Ruhe in einer unruhigen, krisengebeutelten Welt. Es drückt den Wunsch nach Frieden aus – und die Hoffnung auf einen Heiland, der gewaltlos alles gut werden lässt.

Psalm feiert "Triumphzug" Gottes

Jeder kann das Lied singen, summen oder brummen, es schafft Gemeinschaft: in der Kirche beim Gemeindegesang oder beim weihnachtlichen Familiensingen unterm Christbaum. In vielen Chören und Instrumentalgruppen gehört es zum festen Programm.

Dem Psalmtext, den Liederdichter Weissel wählte, liegt die Tor-Liturgie im alten Israel zugrunde, erklärt Jeffrey Myers, der frühere Frankfurter und Wiesbadener evangelische Citykirchenpfarrer. 

Demnach stellten sich die Juden den symbolischen Einzug Gottes in den Jerusalemer Tempel wie den Triumphzug eines Feldherrn vor. 

Alles öffnen, was man verschlossen hat

Der Reformator Martin Luther (1483-1546) übersetzte den Psalmtext in eine kraftvolle deutsche Sprache. 

Ein Psalm-Kommentar Martin Luthers mit einer handschriftlichen Widmung des Theologen Philipp Melanchthon an den Bischof Julius Pflug / © Hendrik Schmidt (dpa)
Ein Psalm-Kommentar Martin Luthers mit einer handschriftlichen Widmung des Theologen Philipp Melanchthon an den Bischof Julius Pflug / © Hendrik Schmidt ( dpa )

Darin macht er deutlich, dass Christus nur dann zu den Menschen kommen könne, wenn sie alles öffneten, was sie verschlossen hätten. Der Königsberger Kantor Johann Stobäus schrieb zu Weissels Text einen fünfstimmigen Chorsatz.

Das Lied, das 1642 erstmals gedruckt wurde, dokumentiert auch die Frömmigkeitspraxis der Barockzeit. 

Weissels Lied wurde erst posthum populär

Das Individuum, das "Ich" rückt nun gegenüber der Kirchengemeinde in den Mittelpunkt: Der Mensch richtet sich direkt an Gott, durchdrungen vom Glauben an ihn. 

"Komm, o mein Heiland, Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist", heißt es in der fünften und letzten Strophe.

Erst 70 Jahre nach Weissels Tod wurde sein schlichtes und durch die Reimpaare einprägsames Lied populär: Der pietistische Theologe, Liederdichter und -sammler Johann Anastasius Freylinghausen (1670-1739) nahm es 1704 in sein "Geistreiches Gesang-Buch" auf. 

Ein subversives Adventslied?

Er stellte die Melodie eines unbekannten Verfassers dazu, das die erste Vertonung bald vergessen ließ. 

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde "Macht hoch die Tür" in andere evangelische Gesangbücher aufgenommen. Übersetzungen gab es zunächst ins Englische und Dänische.

Besonders wichtig sei es, dass das Lied die übliche Vorstellung von "oben" und "unten" umstürze, erklärt Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). 

EKD-Kulturbeauftragter sieht Bezug zu Gegenwartskrisen

"Denn der König, der hier empfangen wird, herrscht nicht mit Macht und Gewalt", sagt Claussen: "Sanftmütigkeit ist sein Gefährt."

Christus als Weltenrichter flankiert von zwei Engeln, Kölner Dom, Dreikönigenschrein / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk (Kölner Dom)
Christus als Weltenrichter flankiert von zwei Engeln, Kölner Dom, Dreikönigenschrein / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk ( Kölner Dom )

"Macht hoch die Tür" sei auch mit Blick auf die Kriege in Nahost und in der Ukraine hochaktuell, urteilt der Frankfurter Theologe Myers. 

Es sei eine Anfrage an die demokratische Gesellschaft, "welche Türen der Hoffnung und Barmherzigkeit und welche Tore der humanitären Hilfe und Versöhnung" auf dem Weg zu Gott hoch und weit gemacht werden sollten.

Hoffnung und Trost in der dunklen Zeit

Für den pfälzischen Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald ist es kein Wunder, dass "Macht hoch die Tür" ein "Allzeithit" ist. 

Das Lied transportiere wie fast kein zweites Hoffnung und Trost in der dunklen Zeit, sagt der Kirchenmusiker. 

Und es sei unverwüstlich: "Gesungen, geflötet, geblasen, verjazzt, selbst im süßlichen Weihnachtskitsch-Arrangement findet es den Weg in die Herzen. Ganz bestimmt auch 2023."

"Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …"

Dieses Lied stammt aus dem Jahr 1623 und wurde zum ersten Mal am 4. Advent gesungen. Geschrieben hat es der Königsberger Pfarrer Georg Weissel in Anlehnung an den Psalm 24, und gedacht war es zur Einweihung der neu errichteten Altroßgärter Kirche der Pregelstadt. Überliefert aber ist auch eine Geschichte, der zufolge Weissel es mit einem Chor vor dem Garten des Geschäftsmanns Sturgis gesungen haben soll. Dieser hartherzige Kaufmann hatte auf seinem Grundstück ein Tor erreichtet, dieses verschlossen und damit den Weg zum nahen Armen- und Obdachlosenheim versperrt.

Gaudete: Dritter Adventssonntag / © Beatrice Tomasetti (DR)
Gaudete: Dritter Adventssonntag / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
epd