Seit 50 Jahren spricht Rom offiziell mit Juden und Muslimen

Wechselvolle Geschichte und schwierige Dialoge

Unter den Behörden im Vatikan gehören die Kommissionen für die religiösen Beziehungen zum Judentum und zum Islam zu den weniger bekannten. Beide wurden vor 50 Jahren gegründet, und beide arbeiten oft im Krisenmodus.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Seit Mitte der 1960er Jahre bemüht sich die katholische Kirche um einen respektvollen Dialog mit den anderen Weltreligionen. Deren Anhänger galten zuvor bestenfalls als "Andersgläubige", die man zum wahren Glauben bekehren wollte. Erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) kam es zu einem Perspektivwechsel, und der betraf vor allem das Judentum und den Islam.

Insbesondere mit dem Judentum suchte die katholische Kirche nach der Katastrophe des Holocausts, an dem auch viele Katholiken als Täter beteiligt waren, damals eine grundlegend neue Beziehung. Im Konzilsdokument "Nostra aetate" von 1965 wurde sie festgeschrieben. Mit Blick auf alle Weltreligionen gilt seither: "Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist."

Doch nur zum Judentum und zum Islam enthält der Text je ein ganzes Kapitel. Im ausführlichen Text zum Judentum legt die katholische Kirche dar, dass sie mit der Religion, aus der Jesus stammt, viel mehr gemeinsam hat als mit allen anderen Religionen. Und dann folgen zwei Festlegungen, aus denen sich bis heute Verpflichtungen ergeben.

Absage an Antisemitismus

Die eine ist die Absage an den Antisemitismus, an dem die Kirche über Jahrhunderte mitbeteiligt war. Die andere lautet: «Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will das Konzil die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern.»

Danach dauerte es noch fast zehn Jahre, bis Papst Paul VI. die "Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum" einrichtete. Die "Judentums-Kommission" war an der Vorbereitung mehrerer Grundsatz-Texte sowie mehrerer Begegnungen von historischer Bedeutung beteiligt. Dazu zählen der Text "We remember" über die Mitschuld von Christen an der Schoah von 1998, der erste Besuch eines Papstes in der römischen Synagoge 1986 sowie die Papstbesuche in Auschwitz. Daneben wirkt die Kommission oft im Hintergrund - etwa, wenn es Verstimmungen in den jüdisch-vatikanischen Beziehungen gibt.

Politik und Religion überlagern sich

Die gab es, wenn im Vatikan Stimmen laut wurden, die eine Seligsprechung von Papst Pius XII. fordern, über dessen Schuld und Verdienste in der Nazi-Ära bis heute gestritten wird. Auch im derzeitigen Nahostkrieg, in dem sich der Papst weigert, für Israel Partei zu ergreifen, gibt es Spannungen. Das liegt auch daran, dass im Judentum die politische und die religiöse Ebene nie klar zu trennen sind.

Und so leidet der Dialog beider Religionen darunter, wenn es im Heiligen Land Krieg gibt. Denn auch hier gilt die Logik der Kriegsparteien: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Doch bisher wurde, wie der Sekretär der Kommission, der deutsche Salesianerpater Norbert Hofmann betont, der Dialog am Ende von Kriegen und Krisen stets wieder aufgenommen.

Islam und Christentum teilen Überlieferung

Einen langen Atem braucht es auch in der zweiten Kommission, die aufgrund von «Nostra aetate» vor ebenfalls 50 Jahren entstanden ist. In ihr geht es um die religiösen Beziehungen zum Islam. Sie ist - anders als die Judentums-Kommission - an das Dikasterium für den Interreligiösen Dialog angegliedert.

Als einzige Weltreligion hat der Islam dort eine eigene Anlaufstelle. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist der Islam die zweitgrößte Religionsgemeinschaft nach dem Christentum. Hinzu kommen einige Gemeinsamkeiten in der religiösen Überlieferung.

Aber mit keiner anderen Religion muss sich die Kirche in so vielen Ländern auseinandersetzen wie mit dem Islam. Und in vielen Länder Nordafrikas oder des Nahen Ostens muss die Kirche sich als Minderheit in einer fast erdrückenden muslimischen Mehrheit behaupten.

Politische und religiöse Sphären überlagern sich

Ähnlich wie beim Judentum überlagern sich im Islam politische und die religiöse Sphäre häufig. Und so spürt auch die "Islamkommission" immer wieder die Ausläufer geopolitischer Erschütterungen zwischen "dem Islam" und "dem Westen".

Die Bedeutung der Kommission hat nur scheinbar abgenommen, seit Papst Franziskus mit dem Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ahmad al-Tayyib, eine persönliche Spezialbeziehung pflegt. Denn bei der Formulierung der von beiden unterzeichneten Dokumente zur brüderlichen Annäherung von Christen und Muslimen wirkt die Kommission im Hintergrund weiter mit. Auch in ihr ist ein Deutscher vertreten: Der Leiter der Fachstelle für den christlich-islamischen Dialog (CIBEDO), der in der Türkei geborene katholische Theologe Timo Aytac Güzelmansur, ist dort einer der Berater.

Interreligiöser Dialog

Der interreligiöse Dialog ist der katholischen Kirche ein wichtiges Anliegen. Sie versteht darunter alle positiven Beziehungen mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern. Im Dialog geben die Gläubigen Zeugnis von der Wahrheit ihres Glaubens im Respekt vor der religiösen Überzeugung des Anderen. So gehören Dialog und Verkündigung zusammen.

Der interreligiöse Dialog wird auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen:

Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto (shutterstock)
Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto ( shutterstock )
Quelle:
KNA