Bei einer Messe zum Abschluss der Weltbischofssynode zum Thema Familie proklamiert Papst Franziskus seinen Vorgänger Giovanni Battista Montini offiziell zum neuen Seligen. Ein bewusst gewählter Termin: Paul VI. hatte 1965 die Bischofssynode als feste Einrichtung der katholischen Kirche installiert.
Mit der Anwesenheit des Weltepiskopats ehrt Franziskus einen Kirchenmann, der von Zeitgenossen vielfach geschmäht und als "Pillenpapst" abgekanzelt wurde. Dabei treten seine Größe und sein prophetischer Weitblick gerade im derzeitigen Reformpontifikat wieder deutlicher zutage.
Mit Paul VI., der am 26. September 1897 als Giovanni Battista Montini im norditalienischen Brescia geboren wurde, bestieg ein Vatikandiplomat den Stuhl Petri. Nach kurzer Pfarrseelsorge war er über drei Jahrzehnte im Staatssekretariat tätig, ab 1937 als Substitut (Innenminister) und enger Vertrauter von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII.
Hilfe für jüdische Flüchtlinge
In dieser Funktion sorgte Montini während des Zweiten Weltkriegs und unter der deutschen Besatzung maßgeblich dafür, dass in kirchlichen Gebäuden Roms und des Vatikan jüdische Flüchtlinge versteckt wurden.
1954 ernannte ihn Pius XII. zum Erzbischof von Mailand; dort, im größten Bistum Europas, konnte er pastorale Erfahrung sammeln. Beim Konklave nach dem Tod von Johannes XXIII. war Montini Favorit und wurde am 21. Juni 1963 im fünften Wahlgang gewählt.
Grundstein für Ökumene
Als Papst setzte Paul VI. das Konzil fort. Als erstes Kirchenoberhaupt der Moderne unternahm er im Januar 1964 eine Auslandsreise ins Heilige Land. Sein Treffen mit Patriarch Athenagoras in Jerusalem legte den Grundstein für eine neue Ökumene.
Als "Jahrhundert-Rede" galt ein Jahr später seine Ansprache vor der UNO in New York mit dem leidenschaftlichen Appell: "Nie wieder Krieg!" Nach dem Konzil passte Montini die vatikanische Kurie den neuen Aufgaben an. Er errichtete Behörden für eine sich der Welt öffnende Kirche: für die Ökumene, für Gerechtigkeit und Frieden, für interreligiösen Dialog und für die Medien. Außerdem begann er eine Neufassung des Kirchenrechts CIC, die 1983 abgeschlossen wurde.
Kritik von konservativer Seite
Paul VI. steht zweifach im Schatten: zum einen seines populären Vorgängers Johannes XXIII. (1958-1963), und zum anderen seines charismatischen Nachfolgers Johannes Paul II. (1978-2005). Freilich leitete er die Kirche in einer besonders schwierigen Zeit. Sein Bemühen, die Umbrüche des Konzils behutsam umzusetzen, ging Reformern nicht weit genug; er galt ihnen als zu zögerlich.
Konservativen Kreisen war er dagegen zu progressiv. Die von seinem Außenminister Agostino Casaroli gestaltete "vatikanische Ostpolitik", die mit kleinen Schritten einen Modus vivendi für die Kirchen im Sozialismus suchte, irritierte konservative Politiker nicht nur in Deutschland. Sein polnischer Nachfolger zog die Pläne zur Gründung einer DDR-Bischofskonferenz sofort zurück und schaltete um auf Offensive gegenüber den Kommunisten.
Berühmte Friedens- und Sozialenzykliken
Breite Beachtung fand Paul VI. durch seine Friedens- und Sozialenzykliken. Durch sie zählt er zu den großen Päpsten des 20. Jahrhunderts. Prägend blieb etwa das Zitat seines Dritte-Welt-Schreibens "Populorum progressio", wonach "der neue Name für Friede Entwicklung heißt".
Nicht weniger bedeutsam ist sein Dokument "Evangelii nuntiandi" von 1975. Darin analysiert er die Schwierigkeiten der Kirche mit der Glaubensverkündigung in der modernen Welt und fordert neue Ansätze zur Überwindung des Grabens zwischen Kirche und zeitgenössischer Kultur.
Verbot von Empfängnisverhütung
Auf Kritik und Häme stieß er hingegen mit seinem Schreiben "Humanae vitae" (1968), in dem er die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung als schwerwiegendes Problem bezeichnete und künstliche Mittel zur Empfängnisverhütung für Katholiken verbot. Die derzeitige Familiensynode im Vatikan versucht die umfassende Sicht dieses Schreibens für die personale Würde des Menschen herauszustreichen.
Mit Paul VI. gelangt nach Pius X. (1903-1914), Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ein vierter Papst des 20. Jahrhunderts zur Ehre der Altäre. Noch nicht abgeschlossen sind Verfahren für Pius XII. (1939-1958) und für den 33-Tage-Papst Johannes Paul I. (1978).