Caritas Berlin zur Aufnahme von Flüchtlingskindern

"Sie können nicht ohne ihre Eltern kommen"

Die Bundesregierung will sich an der Aufnahme von schutzbedürftigen Kindern aus den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland beteiligen. Der Caritasverband des Erzbistums Berlin fordert, die Kinder nicht von ihrer Familie zu trennen.

Ein junges Flüchtlingsmädchen aus Syrien steht in der türkischen Grenzstadt Edirne / © Mohssen Assanimoghaddam (dpa)
Ein junges Flüchtlingsmädchen aus Syrien steht in der türkischen Grenzstadt Edirne / © Mohssen Assanimoghaddam ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Kinder sollen ohne ihre Eltern kommen. Wo kommen sie denn dann hin?

Prof. Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin): Sie sollen auf die verschiedenen Bundesländer verteilt werden. Aber ich muss nochmal ganz deutlich sagen, sie können nicht ohne ihre Eltern kommen. Unsere grundsätzliche Forderung als Caritas ist, dass die Kinder mit ihren Familien kommen. Man darf den Kindern nicht noch weiteres Leid zufügen, indem die Familien auseinandergerissen werden. Anders sieht es natürlich aus, wenn es unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind. Da ist es natürlich auch wichtig, dass sie kommen.

DOMRADIO.DE: Es werden insbesondere kranke Kinder oder Schutzbedürftige aufgenommen. Neben der medizinischen Versorgung brauchen sie sicherlich noch eine intensive psychische Betreuung, oder?

Kostka: Das ist absolut wichtig. Man muss sich vorstellen, die Familien und die Kinder leben ja oftmals schon seit Jahren dort und haben jetzt eine Flucht hinter sich. Dazu kommt die schreckliche Situation in den Lagern dort. Natürlich brauchen sie eine intensive Begleitung und vor allen Dingen auch einen Ort, an dem sie ankommen können.

DOMRADIO.DE: Wie können sie das überhaupt verarbeiten?

Kostka: In jedem Fall brauchen sie vor allen Dingen erstmal eine Sicherheit. Ebenso brauchen sie natürlich eine vernünftige Unterkunft und eine intensive Begleitung. Umso wichtiger ist es, dass die Kinder mit ihren Eltern und ihren Geschwistern gemeinsam kommen, denn sonst haben wir eine Art zweite Traumatisierung, die stattfindet.

DOMRADIO.DE: Sie gehen jetzt davon aus, dass das klappt. Sollte es nicht klappen, wo kommen die Kinder dann hin. Müssen sie, wenn sie wieder gesund sind, zurück oder kommen sie ins Heim in Pflegefamilien?

Kostka: Ich kann mir das noch nicht so ganz vorstellen. Wir haben natürlich gute Erfahrungen schon mit der Begleitung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Die sind in Familien gekommen oder auch in Jugendhilfeeinrichtungen. Aber grundsätzlich fordern wir, dass die Eltern und auch die Geschwister mitkommen, weil sonst ist es für die Kinder zwar ein wichtiger Schritt, aber noch nicht der richtige. Die schutzbedürftigen Familien sollten zusammen kommen können.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie die Aufnahme der Kinder als einen ersten Schritt oder ist es eher ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Kostka: Ich sehe es als ersten wichtigen Schritt und auch eine sehr gute Entscheidung, wenn sie mit Ihren Eltern und ihren Geschwistern zusammenkommen können. Aber natürlich muss vor allen Dingen die humanitäre Situation in Griechenland gelöst werden. Ich muss dazu sagen, ich bin sehr beeindruckt, was Griechenland über die vielen Jahre geleistet hat. Aber es braucht wirklich internationale Lösungen, denn durch diese Situation ist ja eigentlich eine Art menschlicher Abstellplatz entstanden. Das kann nicht sein, dass Menschen dort im Dreck liegen müssen und überhaupt keine Perspektive haben. Hier muss wirklich international eine Lösung gefunden werden. Das ist eine Aufgabe von Europa, aber sicherlich auch darüber hinaus.

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie das ein? Haben Sie Hoffnung, dass es so weitergeht, dass auch weitere Menschen aufgenommen werden?

Kostka: Ich denke, Deutschland ist wirklich bereit, Hilfe zu leisten. 140 Kommunen haben gesagt, sie würden Flüchtlinge aufnehmen. Aber ganz wichtig ist ein geordneter Prozess. Natürlich muss auch die humanitäre Situation vor Ort verbessert werden, denn es werden nicht alle Menschen hierherkommen können. Es geht auch darum, die Versprechen einzuhalten, die man vor Jahren gemacht hat. Die Situation in Griechenland, in der Türkei und natürlich auch in den Herkunftsländern zu verbessern, ist das Wesentliche.

Wenn Menschen nach Deutschland kommen, muss es natürlich eine geordnete Aufnahme sein. Aber es muss jetzt wirklich der Mensch im Mittelpunkt stehen und nicht nur die Frage, wie die Politik diese Frage löst. Es geht auch darum, für schutzbedürftige Flüchtlinge eine Perspektive zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Was können wir von Deutschland aus dafür tun?

Kostka: Ich glaube, sehr wichtig ist, dass wir als deutsche Gesellschaft die Humanität in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig aber auch die anderen Länder auffordern, ihrer Verantwortung nachzukommen. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich setze auf die Solidarität in der Gesellschaft. Gleichzeitig brauchen wir geordnete Prozesse. Was ich nochmal betonen möchte, wir dürfen keine Familien auseinanderreißen.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Ulrike Kostka / © Markus Nowak (KNA)
Ulrike Kostka / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
DR
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