Siegener Kolumbariumskirche hat den Friedhof im Kirchenraum

Ein etwas anderer Begegnungsort

Sie ist aufgebaut wie ein antiker Urnenfriedhof: In der Kolumbariumskirche in Siegen sind die Urnengräber mitten im Kirchenraum. Das soll den Tod ins Leben holen. Wie genau, erklärt die Gemeindereferentin Irmtrud von Plettenberg.

Kolumbariumskirche in Siegen / ©  Tanja Wagner (Kolumbariumskirche Siegen-Freudenberg)
Kolumbariumskirche in Siegen / © Tanja Wagner ( )

DOMRADIO.DE: Man muss in der Heilig-Kreuz-Kirche erst durch einen Urnenfriedhof, bevor man in den eigentlichen Gottesdienstraum kommt. Können Sie beschreiben, wie das ist?

Irmtrud von Plettenberg (Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin in Siegen): Das kann ich sehr gut beschreiben, denn ich erlebe es tagtäglich neu. Fremde, die hierherkommen, bleiben erst einmal stehen und stocken: "Ach, so sieht das aus, so habe ich mir das gar nicht vorgestellt." Oder: "Im Internet sieht das ganz anders aus, da ist das nicht so plastisch. Hier ist es so warm. Und wenn die Sonne jetzt rein scheint, dann spiegelt sich das überall. Das ist faszinierend." Andere bleiben stehen und sehen die große gelbe Wand und das Licht, das durch diese Wand kommt. Ich erlebe ganz viele Menschen, die erst innehalten bevor sie weitergehen.

Irmtrud von Plettenberg (privat)
Irmtrud von Plettenberg / ( privat )

DOMRADIO.DE: Es ist wirklich etwas Besonderes. War von dieser Idee jeder überzeugt?

von Plettenberg: Es gab im Vorfeld, als wir gebaut haben, schon die Überlegung, dass Leute abgeschreckt würden und sagen: "Um Gottes Willen, wir müssen über einen Friedhof gehen." Und wir haben dann immer wieder gesagt: "Fahren Sie nur ins Sauerland oder nach Bayern. Da gibt es ganz oft Kirchen, wo man über einen Friedhof zum Gottesdienst geht." Mit der örtlichen Gemeinde macht das schon gar nichts mehr. Im Gegenteil, es gibt Menschen, die sagen: "Wenn ich jetzt zum Gottesdienst gehe, dann feiere ich mit meinen Verstorbenen, die hier bestattet sind, den Gottesdienst gemeinsam".

Irmtrud von Plettenberg, Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin in Siegen

"Im Sauerland oder in Bayern gibt es ganz oft Kirchen, wo man über einen Friedhof zum Gottesdienst geht."

DOMRADIO.DE: Sie haben einen enormen Zulauf an Reservierungen für diese Form der Bestattung. Suchen die Menschen vielleicht genau danach, weil sie merken, dass es in der Trauer helfen kann?

von Plettenberg: Das Spannende ist, die Menschen merken, hier ist immer jemand. Hier sind andere Menschen, die trauern. Hier bin ich selbst. Wir haben an einer Ecke die Möglichkeit Kerzen anzuzünden oder Blumen hinzustellen. Dort begegnen sich immer wieder Trauernde - gerade durch diesen enormen Zulauf und weil im Moment alle Beisetzungen relativ gleich alt sind. Wir haben es erst letztes Jahr Ostern eröffnet. Dann sitzen Trauernde, die in einer ähnlichen Zeitraum ihre Angehörigen verloren haben, in einer Bank. Sie können sich austauschen und kommen miteinander ins Gespräch.

Kolumbariumskirche in Siegen / ©  Tanja Wagner (Kolumbariumskirche Siegen-Freudenberg)
Kolumbariumskirche in Siegen / © Tanja Wagner ( )

DOMRADIO.DE: Haben Sie da ein konkretes Beispiel, bei dem man merkt, dass es ein richtiger Begegnungsort ist – vielleicht auch mehr als ein "normaler Friedhof"?

von Plettenberg: Ich erinnere mich noch gut, wie eine Frau, die an ihren Platz gehen wollte und dann sagte: "Ups, da sitzt ja schon wer. Was ist das denn? Das ist doch eigentlich mein Mann." Und die dann sah: "Ach ja, da ist noch ein anderer Urnenplatz". Und die beiden Witwen kamen miteinander ins Gespräch und ich erlebe immer wieder, dass sie sich inzwischen aufeinander freuen. Da merke ich, das tut gut.

Irmtrud von Plettenberg, Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin in Siegen

"Gott macht keine Unterschiede und wir dürfen alle durch das Tor der Auferstehung gehen."

DOMRADIO.DE: Jetzt wird das auch wieder so sein, dass sich an Allerheiligen und Allerseelen Trauernde in der Kolumbariumskirche treffen - Trauernde aus allen sozialen Schichten, denn im Tod sind nun mal alle gleich...

von Plettenberg: Ganz genau, das erleben wir in der Kirche auch immer sehr deutlich. Letzten Freitag hatten wir eine Bestattung mit ganz viel Brimborium. Da war eine ganz nette, sehr engagierte Malteser Frau, die hier bestattet wurde. Ein Weihbischof aus Trier war da. Ein paar Tage zuvor ist hier ein Obdachloser bestattet worden. Also, da wird auch noch mal sehr deutlich: Gott macht keine Unterschiede und wir dürfen alle durch das Tor der Auferstehung gehen. Wie Gott dann mit uns umgeht, ist seine Sache, aber nicht unsere kleinkarierte Sache.

Das Interview führte Verena Tröster.

Kirchliche Bestattungen laut Verein unter 50 Prozent gesunken

Der Anteil kirchlicher Bestattungen ist bundesweit erstmals unter 50 Prozent gesunken. Das ergab eine Auswertung der Verbraucherinitiative Bestattungskultur. 2020 wurden demnach in Deutschland 489.664 Bestattungen (49,7 Prozent) katholisch oder evangelisch begleitet. Im Jahr 2000 machte der Anteil kirchlicher Begräbnisse noch 71,5 Prozent aus.

Beerdigungssymbole: Weiße Lilie und Kerzen (shutterstock)
Beerdigungssymbole: Weiße Lilie und Kerzen / ( shutterstock )
Quelle:
DR