SkF-Beschäftigungsprojekt gibt arbeitslosen Frauen Halt

Safe Space in der Karnevals-Schneiderei

Jahrelang waren sie ohne Job, jetzt nähen sie bunte Kostüme und jecke Kappen: Im vom Sozialdienst katholischer Frauen betriebenen casa blanca finden Frauen nicht nur Arbeit, sondern auch Orientierung, Struktur und neue Perspektiven.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Gewandmeisterin Annette Weinreiß und  Sarah Dobrosch (SkF) zeigen von den Frauen bei Casablanca genähte Kostüme  / © Ulrike Kort (Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Köln)

Einmal im Leben im Rosenmontagszug mitlaufen! Der Traum (fast) jeder Kölnerin und (fast) jeden Kölners – für Luljeta Shabani wird er in diesem Jahr wahr. Die gebürtige Kosovarin kam nach einer Zeit in Italien vor dreizehn Jahren nach Deutschland, vor sieben Jahren schließlich nach Köln. Dass sie jetzt bald ganz in rot-weiß gekleidet stundenlang Kamellen und Küsschen werfend an jubelnden Menschen vorbeiwandern darf, liegt an ihrer aktuellen Station: Das Jobcenter hat die Langzeitarbeitslose vor drei Monaten in die Karnevalsnäherei (Link ist extern)casa blanca geschickt, wo sie seitdem am Beschäftigungsprojekt des SkF teilnimmt, also des (Link ist extern)Sozialdienstes katholischer Frauen . Der wiederum darf im Jahr seines 125-jährigen Bestehens eine eigene Fußgruppe im großen Rosenmontagszug stellen und hat dafür auch Luljeta Shabani ausgewählt. Kein Wunder also, dass die zugezogene Kölnerin übers ganze Gesicht strahlt und stolz ihr selbst genähtes Kostüm präsentiert: einen kurzärmeligen Frack aus lauter rot-weißen Stoffquadraten mit rotem Rüschenrand, dazu die passende Karnevalskappe, natürlich ebenfalls in den kölschen Farben rot und weiß.

Annette Weinreiß

"Es ist einfach toll zu sehen, was für Erfolgserlebnisse unsere Teilnehmerinnen hier haben, wie schnell sie lernen!

Dass sie die Näharbeit so akkurat hinbekommen hat, ist alles andere als selbstverständlich. Schließlich hatte die 59-Jährige keinerlei Vorkenntnisse, als sie ins casa blanca kam und musste in gerade einmal zwölf Wochen alles von der Pike auf lernen – vom Maßnehmen übers Zuschneiden bis hin zur Arbeit an der Nähmaschine.  "Ich habe schon Rucksäcke genäht, Taschen und Kappen, das macht großen Spaß", sagt Shabani. Außerdem seien die anderen Frauen sehr nett und vor allem auch die Anleiterin. 

Die Anleiterin heißt Annette Weinreiß, ist gelernte Gewandmeisterin und hat nach Jahren hinter Opern-Kulissen in dem Sozialprojekt ihren Traumjob gefunden. Die Frauen lieben sie und sie liebt die Frauen. "Es ist einfach toll zu sehen, was für Erfolgserlebnisse unsere Teilnehmerinnen hier haben, wie schnell sie lernen!" Was auch für die 42-jährige Fatima Hadjara gilt, die sich nach ein paar Monaten im casa blanca so wohl fühlt, dass sie am liebsten gar nicht mehr wegmöchte. 

Ohne Vorerfahrung zur Schneiderin werden

Auch sie kam, ohne jemals vorher an der Nähmaschine gesessen zu haben. Wie alle anderen auch fing sie mit einer Patchwork-Decke an, arbeitete sich Stück für Stück vor, ließ sich von der gelernten Schneiderin Weinreiß in immer schwierigere Schnitte und Nähte einweisen. Der schönste Moment, so die Mutter eines elfjährigen Sohnes, sei gewesen, als eine Kundin sich nach der alljährlichen casa blanca-Modenschau in ein von ihr gefertigtes Kostüm verliebte und es spontan kaufte. "Zu sehen, wie sie da in diesem tollen Teil stand, das ich gemacht hatte, das war einfach Wahnsinn!"

Alljährliche Modenschau

Annette Weinreiß / © Ulrike Kort (Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Köln)

Denn immer im Herbst laden die Näherinnen von casa blanca zu einem Laufsteg-Event, bei dem sie ihre jüngste Karnevals-Kollektion präsentieren. Auch diese Shows bieten die Möglichkeit, neu erworbenes Selbstbewusstsein gleich einmal unter Beweis zu stellen. Melanie Koc zum Beispiel, hätte sich am Anfang ihrer Zeit bei casa blanca nie auf eine Bühne getraut; jetzt hat sie sogar selbst Model für jecke Outfits gespielt und das, obwohl sie privat so gar nichts mit Karneval am Hut hat. Ihr macht die Arbeit im casa blanca auch deshalb solchen Spaß, sagt sie, weil ihr sonst zu Hause die Decke auf den Kopf fallen würde.

Sarah Dobrosch

"Deshalb machen wir auch keinen Druck, sondern wir lassen sie erst einmal an- und zu sich kommen".

Langzeitarbeitslosen Frauen zunächst einmal Halt zu geben, eine feste Struktur, einen klaren Tagesablauf, ist eines der wichtigsten Ziele der Karnevalsnäherei, die sich die Räume in einem Gewerbegebiet in Köln-Mülheim mit einem anderen SkF-Beschäftigungsprojekt teilt, der Wäscherei nämlich, die Handtücher und Servietten für ausgewählte Restaurants, Kitas und Kirchengemeinden reinigt, mangelt und bügelt. Beide Einrichtungen zusammen böten Platz für insgesamt 30 Teilnehmerinnen, erzählt Sarah Dobrosch, Leiterin des Bereichs Arbeit und Soziales beim SkF. Die Bürgergeld-Bezieherinnen, die das Jobcenter ins casa blanca vermittelt, kämen meist mit so genannten "Multiproblemlagen", so Dobrosch. Das heißt, sie sind oftmals alleinerziehend, viele haben gesundheitliche und/oder psychosoziale Probleme, dafür keine guten Sprachkenntnisse. "Deshalb machen wir auch keinen Druck, sondern wir lassen sie erst einmal an- und zu sich kommen." 

Ein sicherer Raum

Neben den fachlichen Anleiterinnen stehen den Teilnehmerinnen im casa blanca auch Mitarbeiterinnen eines Sozialdienstes zur Seite, die mit ihnen Probleme ansprechen, analysieren und zu lösen versuchen.  "Wir fragen gemeinsam mit Ihnen: Was ist los, woran liegt es, wie können wir unterstützen?" Und weil sowohl in der Schneiderei als auch der Wäscherei ausschließlich Frauen arbeiten, bietet casa blanca den Frauen auch einen Safe Space, einen sicheren Raum also, in dem sie sich in Ruhe stabilisieren können. Was wiederum bedeutet, dass die Näherinnen hier nicht im Akkord arbeiten, sondern in ihrem eigenen Rhythmus. Und so kann es schon mal sein, dass die Produktion eines Lappenclown-, Drachen- oder auch Strichmännchen-Kostüms bis zu einem Jahr dauert. "Aber das wissen unsere Kundinnen und Kunden", sagt Gewandmeisterin Weinreiß, "und sie nehmen das gerne in Kauf." Und so scheinen all die Tüll- und Rüschenkleider, die bunten Hosen und schillernden Anzüge noch viel schöner. Im Wissen darum nämlich, was sie denen gebracht haben, die sie gemacht haben. Ganz egal, wie lang das vielleicht gedauert hat. Luljana Shabani im rot-weißen Kölsch-Kostüm wird jedenfalls eine strahlend schöne Botschafterin dieser Überzeugung sein.

Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)

Die Gründung des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. Köln geht zurück auf die Initiative zweier Frauen, Agnes Neuhaus in Dortmund und Marie Le Hanne Reichensperger in Köln, die sich unabhängig voneinander um 1899/1900 herum entschlossen, Frauen und Mädchen in Not Hilfe zu leisten.

Sozial-caritatives Leben entsprach zwar durchaus den gesellschaftlichen Moralvorstellungen und dem Frauenbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts, allerdings nicht in der Form, wie es dann von den Frauen dieses Vereins gelebt wurde.

Sozialdienst Katholischer Frauen (DR)
Sozialdienst Katholischer Frauen / ( DR )

 

Quelle:
DR

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