SKM demonstriert gegen Sparmaßnahmen bei Sozialleistungen in NRW

"Keine Randproblematik mehr"

Die NRW-Landesregierung will im kommenden Jahr bei Sozialausgaben den Rotstift ansetzen. Betroffene Verbände protestieren dagegen. Karina Dreja vom Sozialdienst Katholischer Männer fürchtet bereits jetzt die Folgen der Maßnahmen.

Autor/in:
Tobias Fricke
Spielzeug in einem Kindergarten  / © PhotoMavenStock (shutterstock)
Spielzeug in einem Kindergarten / © PhotoMavenStock ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: An diesem Mittwoch ab 12 Uhr ist eine große Demonstration gegen Sozialabbau in Düsseldorf geplant, zu der wohl 20.000 Teilnehmer erwartet werden. Das Motto der Demo lautet "NRW bleibt sozial". Sie werfen der schwarz-grünen Landesregierung vor, 83 Millionen Euro einsparen zu wollen. Was ist Ihr Anliegen bei dieser Demonstration?

Karina Dreja (SKM Köln)

Karina Dreja (Sachgebietsleitung Wohnen; Sozialdienst Katholischer Männer e.V.): Wir wollen die Öffentlichkeit, aber auch die Politik darauf hinweisen, dass wegbrechende Strukturen ganz große Auswirkungen auf die Menschen, auf den Sozialstaat haben werden.

DOMRADIO.DE: Wie könnten sich die Einsparungen auf Ihren Bereich auswirken auswirken?

Karina Dreja

"Das, was die Politik beschließt, kann die soziale Arbeit nicht geradebiegen."

Dreja: Für die Menschen unmittelbar bedeutet das, dass sie alleine stehen gelassen werden. Wir erleben, dass die Komplexität in den Sozialstrukturen für viele Menschen eine Überforderung bedeutet, eine Orientierungslosigkeit. Menschen sind zum Teil nicht mehr alleine und ohne Unterstützung in der Lage, ihre Probleme zu bewältigen. 

Die wegbrechenden Strukturen sind nicht imstande, die Bedarfe der Menschen aufzufangen. Das, was die Politik beschließt, kann die soziale Arbeit nicht geradebiegen. Wir merken, dass die Probleme in der Mittelschicht der Gesellschaft angekommen sind. 

Das ist keine Randgruppenproblematik mehr, sondern es kommt immer mehr dazu, dass auch Menschen, die Geld verdienen, in Notlagen geraten und Beratung brauchen, weil von Behörden und anderen Institutionen keine Beratung angeboten wird.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie müssten beim SKM theoretisch dann auf Personal verzichten oder die Arbeitszeit reduzieren und könnten dann auch weniger Beratung anbieten.

Dreja: Es ist weniger Personal und mehr Arbeit. Und das führt auch dazu, dass die Sozialarbeiter, die vor Ort sind, das Ganze nicht auffangen können. Das heißt, dass die Menschen auch längere Wartezeiten für Termine haben und dass die Nöte immer größer werden. Wenn irgendwo Fristen gesetzt werden und die nicht rechtzeitig bearbeitet werden, führt das zu Konsequenzen.

Karina Dreja

"Man merkt, dass der Krankenstand bei den Kollegen auch zunimmt, weil die Belastung immer größer wird."

DOMRADIO.DE: Der SKM ist auch Träger von Kitas und von Offenen Ganztagsschulen. Was ist in dem Bereich zu befürchten?

Dreja: Es ist jetzt schon so, dass ziemlich großer Personalmangel da ist, dass die Refinanzierung nicht gesichert ist. Man merkt, dass der Krankenstand bei den Kollegen auch deshalb zunimmt, weil die Belastung immer größer wird. Die Belastung liegt bei den Eltern, die liegt aber auch bei den Trägern und bei den Kollegen vor Ort.

DOMRADIO.DE: Sie wollen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit schaffen, aber auch bei der Politik für die Problematik. Denken Sie, dass Sie mit einer Demonstration die Politik umstimmen können?

Karina Dreja

"Der Sozialstaat kann nicht auf dem Rücken der Gesellschaft ausgetragen werden."

Dreja: Wir hoffen sehr, dass es passiert, weil ich denke, der Sozialstaat kann nicht auf dem Rücken der Gesellschaft ausgetragen werden. Und wenn man sich wirklich damit auseinandersetzt, sind die Folgekosten der Einsparungen viel höher als das, was jetzt die Regierung meint, an Geld in der Kasse behalten zu können.

DOMRADIO.DE: Es ist nicht mehr weit bis zum nächsten Jahr. Wie geht es weiter? Ist zum Beispiel ein ernsthafter Streik ein mögliches Mittel?

Dreja: Ich denke schon, dass es mittlerweile so weit ist, dass die Träger auch überlegen werden, mit den Eltern, mit den betroffenen Menschen auf die Straße zu gehen, um zu sagen, dass es nicht mehr so geht.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das wird kommen?

Dreja: Ich sage jetzt mal vorsichtig: Ich vermute ja.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR