DOMRADIO.DE: Es fehlen einem die Worte, wenn man sieht und hört, was da bei Ihnen in Solingen passiert ist. Finden Sie Worte?
Pfarrer Michael Mohr (Solinger Stadtdechant): Wenn ich ehrlich bin, nein. Ein "guten Morgen" will mir nicht über die Lippen. Wir sind fassungslos in der Stadt. Wir sind sprachlos und und ein Stück auch hilflos.
DOMRADIO.DE: Wir haben Sie vom Messeranschlag erfahren?
Mohr: In der Nacht lief sozusagen das Handy heiß. Das Stadtfest ist in der gesamten Innenstadt auf mehreren Bühnen gefeiert worden. Ich selbst wohne am Innenstadtrand und in der Nähe zu einer der Bühnen, wo Gott sei Dank nichts passiert ist, so dass ich es persönlich gar nicht mitbekommen habe.
Aber in der Nacht ging es dann rund und von überall her kamen die Infos, auch die besorgten Nachfragen, ob mir etwas passiert sei.
DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie die Lage, die Atmosphäre in Solingen gerade wahr?
Mohr: Ich bin gerade rübergegangen zur Kirche, natürlich gibt es den Straßenverkehr, der da ist. Aber es fühlt sich doch anders an, und ich habe wirklich den Eindruck, da ist so eine bleierne Schwere, da ist einfach ein Gelähmtsein in der Luft.
DOMRADIO.DE: Wie kann trotz unserer Sprachlosigkeit Kirche in solchen Situationen helfen?
Mohr: Das eine ist auf jeden Fall, Räume zu öffnen.
Heute wird die Clemenskirche offen sein. Dann, etwas später, wird auch die Stadtkirche, die evangelische Kirche, die in unmittelbarer Nähe der Bühne liegt, vor der das passiert ist, öffnen. Das ist einmal das Tatsächliche.
Und natürlich überlege ich jetzt schon und bin auch mit den anderen geistig in Kontakt und bin sehr sicher, dass wir auch über die Konfessionsunterschiede hinaus morgen in allen Gottesdiensten in Solingen das in irgendeiner Weise zum Thema machen: in Fürbitten, in der Gelegenheit, in der Stille einfach mit zu trauern.
Raum geben, innerlich und äußerlich, das ist, glaube ich, das Entscheidende.
DOMRADIO.DE: Für morgen war eigentlich ein ökumenischer Gottesdienst anlässlich des Stadtfestes geplant. Sie planen jedoch um?
Mohr: Genau. Wir hatten vorgestern noch die finale Planung gemacht. Die Planung ist natürlich von etwas ganz anderem ausgegangen. Eine allererste Reaktion, nachdem natürlich auch die Stadt alle für heute und morgen geplanten Feierlichkeiten abgesagt hat, war: Wir sagen den Gottesdienst ab. Das, glaube ich, wird so nicht passieren. Wir werden uns gleich noch einmal treffen, die Superintendentin von evangelischer Seite und ich. Und ich glaube, der Oberbürgermeister ist auch dabei.
Ich gehe im Moment davon aus, dass wir zu der geplanten Zeit, Sonntag um zehn Uhr, in irgendeiner Weise eine Statio halten, ein Trauergebet sprechen oder einfach gemeinsam diese Fassungslosigkeit aushalten, bevor dann in der Feier der Messen, in den evangelischen Gottesdiensten, sicherlich noch mal in vielen Kirchen an vielen Orten die Gelegenheit da sein wird, das vor Gott hinzulegen. Das ist das, was wir als Christen letztlich tun können.
Das Interview führte Carsten Döpp.