Sozialdienst katholischer Frauen zur häuslichen Gewalt

"Jeder kann helfen"

Die Gewalt in den eigenen vier Wänden wird oft unter den Teppich gekehrt. Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen zeigt im Interview verschiedene Hilfsangebote für Opfer auf und regt an, Tabus zu brechen.

Symbolbild Gewalt gegen Frauen / © Inga Kjer (dpa)
Symbolbild Gewalt gegen Frauen / © Inga Kjer ( dpa )

domradio.de: Was alles zählt denn zu häuslicher Gewalt?

Anne Rossenbach (Sozialdienst katholischer Frauen/SkF, Köln): Für uns ist häusliche Gewalt eine permanente Herabwürdigung durch verbale Gewalt, wie Beschimpfungen und Demütigungen über Missachtung bis hin zu schwerster körperlicher Gewalt. Nach Bekanntwerden von häuslicher Gewalt kommt es häufig zu Stalking, zum Beispiel in Trennungssituationen. Die Frauen werden oft weiter bedroht, wenn es um Umgangsregelungen oder das Sorgerecht für die Kinder geht. Sie können sich meistens nicht selber wehren und aus der Gewaltsituation herauslösen. Natürlich ist die körperliche Gewalt durch Schläge die am stärksten verbreitetste Form.

domradio.de: Warum versuchen so viele Frauen die Gewalt zu verbergen?

Rossenbach: Viele Frauen verharmlosen zunächst insgesamt die Gewalt durch Entschuldigungen und Anpassung. Das ist vor allem die Angst um die eigene Existenz. Sie haben eventuell keinen Beruf und Angst um die Kinder. Es gibt große Probleme mit der Wohnungssituation. Eine neue Wohnung zu finden ist sehr schwierig. Der Hintergrund ist oftmals auch die materielle Abhängigkeit und die Angst um den Verlust des sozialen Status. Die Mütter möchten den Kindern die heile Familie erhalten. Bei jungen Frauen ist auch das Selbstbewusstsein als Frau noch nicht so stark ausgeprägt, sodass sie sich selbst nicht stark genug fühlen und anpassen leichter erscheint.

domradio.de: Wie helfen Sie den Frauen?

Rossenbach: Wir haben eine Online Beratung, da vermitteln wir gezielt in Beratungsstellen vor Ort. Hauptsächlich versuchen wir, eine Öffentlichkeit dafür zu verschaffen und das Bewusstsein zu prägen: Gewalt ist nichts, was man aushalten muss. Es gibt immer eine Möglichkeit, aus der Situation herauszukommen. Wir haben ein Gewaltschutzzentrum mit einer Beratungsstelle für Kinder, um den Loyalitätskonflikt aufzulösen. Neben den eher kurzzeitigen Angeboten gibt es auch Angebote, die Frauen längerfristig betreuen. Sie sind fast in allen Städten vorhanden, sodass wir appellieren, in den Notsituationen Kontakt zu suchen.

domradio.de: Wie ist es selbst als Frau, anderen Frauen in den Notsituationen zu helfen?

Rossenbach: Da hilft die Professionalität als Sozialarbeiter. Man muss ja auch nicht wohnungslos sein, um jemanden aus der Wohnungslosigkeit zu helfen. Sexualisierte und häusliche Gewalt ist kein kleines Problem mehr. Alle, die etwas mitbekommen - Nachbarn, Freunde und Bekannte - sollten helfen. Da entscheidet nicht das Maß der Professionalität. Das Tabu zu brechen und jemanden anzusprechen, hilft enorm. Der Weg zu einer Rechtsanwältin zum Beispiel kann auch Sicherheit geben, sodass den Frauen danach schon einiges klarer erscheint.

Das Gespräch führte Martin Mölder.


Quelle:
DR