DOMRADIO.DE: Als Sozialpfarrer kümmern Sie sich viel um Menschen, die nicht so viel Geld in der Tasche haben. Was halten Sie von der "Penny"-Aktion?
Pfarrer Franz Meurer (Sozialpfarrer in Köln-Höhenberg und Vingst): Erstens habe ich mir natürlich sofort den Maasdamerkäse gekauft, der 94 Prozent teurer ist und habe heute Morgen den teureren Bio-Joghurt gegessen. Ich weiß also, worum es geht.
Zweitens haben wir heute unsere Lebensmittelausgabe. Ich bin grundsätzlich ein riesiger Gegner der Lebensmittelausgabe, denn wir müssen es sozial schaffen, dass die Leute von dem Geld, über das sie verfügen, einkaufen können. Solange das nicht so ist, können wir das leider nicht verändern. Wahrscheinlich wird das noch sehr lange so sein, denn die Bibel sagt, die Armen haben wir immer bei uns.
Und drittens habe ich gedacht: Die haben das Sommerloch mit einem guten Thema ausgefüllt.
DOMRADIO.DE: Wie ist das für Menschen, die ganz wenig in der Tasche haben und zum Beispiel Bürgergeld beziehen? Regen die sich darüber auf?
Meurer: Sie werden sich nicht besonders aufregen, weil sie solche Spiele nicht so schnell mitmachen können. Sie müssen gucken, wo sie günstig einkaufen können. Wenn man zum Beispiel mal die Preise für Butter vergleicht, dann wird einem schlecht. Für gut-bürgerlich situierte Menschen sind diese Sachen wie Tierwohl, Landwirtschaft und die Zukunft der Bauern jetzt interessant.
Zurecht wird darüber diskutiert. Aber für arme Menschen geht es zuerst mal um die Existenz. Um es mal klar zu sagen: 20 Prozent der Kinder in NRW sind armutsgefährdet. Bei uns in Köln sind es die Hälfte der Kinder. Wir verteilen gerade 350 Schulranzen, damit die Kinder sich nicht schämen müssen, wenn sie mit einer Aldi-Tüte nächste Woche zum Unterricht kommen.
DOMRADIO.DE: Sie meinen, das ist eher eine Sommerloch-Werbeaktion, als dass Menschen deshalb ihre Gedanken zum nachhaltigen Leben ändern?
Meurer: Ich finde es sehr gut, was "Penny" macht. Aber nicht für die armen Menschen, die bei uns wohnen. Ich finde es sehr gut, dass wir diskutieren, wofür wir Geld ausgeben. Ich finde es sehr gut, dass wir in die Diskussion mit dem Bauernverband kommen.
Der Papst sagt es in seiner berühmten Enzyklika "Laudato si": Die Ökologie hängt eng mit der Frage der Armut zusammen, weil arme Leute unter den Problemen des Klimas am meisten leiden müssen.
Es ist unser Beitrag als Christen, diesen zentralen Gedanken des Papstes "Ökologie und Armut zusammen denken" immer wieder in Gespräche und Diskussionen einzuspeisen.
DOMRADIO.DE: Werden die Käufer denn mehr Bewusstsein für Umweltbelastung durch die Lebensmittelproduktion entwickeln? Die Ärmeren können sich die Produkte nicht leisten und die, die es sich leisten können, werden vielleicht auch den höheren Preis einfach zahlen.
Meurer: Nein, das werden die wahrscheinlich nicht tun, weil sie wahrscheinlich gar nicht bei "Penny" einkaufen. Es gibt andere Lebensmittelgeschäfte, auch Discounter, die ihrem Lebensgefühl mehr entsprechen.
Natürlich steht die Gerechtigkeitsfrage im Hintergrund. Und um es mal mit den Worten des Nobelpreisträgers Amartya Sen auszudrücken: Wir brauchen eine Befähigungsgerechtigkeit. Das heißt, wer sich nicht gesund ernährt, wer keinen Kindergartenplatz bekommt, wo die Eltern arbeiten müssen und deswegen ihr Kind nicht betreuen können, da wird Gerechtigkeit an der Wurzel berührt.
Das Interview führte Dagmar Peters.