Die Grabplatte in der Basilika bei Cuelgamuros nahe Madrid ist bedeckt mit frischen Blumensträußen, Kränzen und Gestecken - die meisten in den spanischen Nationalfarben. Nur auf dem Schriftzug mit dem Namen des Verstorbenen liegt kein Blumenschmuck. Eine Gruppe mit einigen Dutzend Besuchern nähert sich, auch Kinder sind darunter. Sie posieren, machen Selfies. Schließlich heben einige den rechten Arm zum Faschistengruß. "Viva Franco!", rufen sie laut vor der Grabstätte von Diktator Francisco Franco (1892-1975).
Umstrittene Gedenkstätte
Szenen wie diese sind in diesen Tagen keine Seltenheit im "Valle de los Caidos". Die so kolossale wie umstrittene Gedenkstätte in der Sierra de Guadarrama ist 43 Jahre nach dem Tod des "Generalissimus" erneut zum Zankapfel geworden. Die sozialistische Regierung will schnellstmöglich Fakten schaffen, solange sie die Gelegenheit dazu hat: Francos Gebeine sollen aus dem "Tal der Gefallenen" verschwinden und an einen schlichteren Ort verbracht werden - mit oder ohne Zustimmung seiner Angehörigen. "Wir werden das machen, und zwar sehr zügig", kündigte Ministerpräsident Pedro Sanchez kürzlich an.
Um die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, hat der Kongress am Donnerstag ein entsprechendes Dekret gebilligt. 172 Abgeordnete unterstützten die Initiative; 2 stimmten dagegen, 164 enthielten sich. Die Opposition wirft der Regierung Sanchez vor, lediglich von wichtigeren Problemen ablenken zu wollen. "Ich würde keinen einzigen Euro dafür ausgeben, Franco auszugraben", sagte Pablo Casado, Chef der konservativen Volkspartei (PP). Es sei "unverantwortlich, bereits geheilte Wunden wieder aufzureißen". Auch die liberalen Ciudadanos stimmten dem Dekret nicht zu.
"Ort der Versöhnung"
In den Augen der Sozialisten ist das Franco-Mausoleum eine pompöse Pilgerstätte für alte Gefolgsleute und Neofaschisten. In einer demokratischen Gesellschaft, so das Hauptargument, sei dafür kein Platz. Verschiedene Pläne für eine Umgestaltung gibt es zwar seit Jahren, doch zur Durchsetzung fehlte stets die politische Entschlossenheit. Zuletzt musste sich Sanchez von der Idee verabschieden, aus dem Bau des Caudillo einen "Ort der Versöhnung" mit eigenem Museum zu machen. Jetzt soll zumindest das Grab des Diktators weichen.
Verwunderlich ist das Hin und Her nicht; der Umgang mit dem "Valle de los Caidos" ist reichlich kompliziert. Francoließ die Anlage mit dem mehr als 150 Meter hohen freistehenden Steinkreuz und einer riesigen in den Fels gehauenen Kirche noch zu Lebzeiten errichten. Mit dem architektonisch eindrucksvollen Monument wollte er die "für Gott und Spanien" Gefallenen des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) beerdigen und ehren.
Dass bei den Bauarbeiten Tausende republikanische Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen schuften mussten, ist nur ein Teil des historischen Ballasts. Hinzu kommt, dass in einer Gruft die Gebeine Zehntausender Soldaten liegen. Viele wurden anonym bestattet. Doch längst nicht alle waren Franco-Anhänger. Unter den Toten sind auch zahllose Republikaner.
Ein Wörtchen mitreden
Die Stätte als geistlosen Faschistentreff zu schmähen, wird der Sache also nicht gerecht. Obendrein handelt es sich um geweihten Boden. Die Kirche mit Francos Gebeinen wurde 1960 von Papst Johannes XXIII. zur Basilika erhoben. Für die Verwaltung sind die Mönche einer Benediktinerabtei zuständig, die sich ebenfalls auf dem Gelände befindet. Die katholische Kirche hat folglich in Sachen Exhumierung ein Wörtchen mitzureden.
Obwohl etliche der ansässigen Benediktiner gegen eine Störung der Totenruhe sind, ist von der Kirche kaum Widerstand zu erwarten. Madrids Kardinal Carlos Osoro signalisierte bereits, dass er "keinerlei Interesse" habe, sich gegen das Vorhaben zu stellen.
Besucherzahlen steigen
Die Bevölkerung ist derweil in ihrer Haltung zu Franco gespalten. Laut einer aktuellen Umfrage der Zeitung "El Mundo" befürworten 41 Prozent der Spanier die geplante Exhumierung; 39 Prozent sind dagegen. Erst vor kurzem demonstrierten Tausende Franco-Anhänger vor dem Mausoleum gegen die Initiative der Sozialisten.
Einziger Gewinner ist bislang das "Valle de los Caidos" selbst. Seit Bekanntgabe der Umbettungspläne im Juni sind die Besucherzahlen um fast 50 Prozent gestiegen; 2017 waren es rund 283.000. Die benediktinische Touristenherberge der Gedenkstätte reagiert mit ironischen Worten auf den Boom: In einem Twitter-Kommentar dankte sie Ministerpräsident Sanchez "sehr aufrichtig" für seine Bemühungen zur Steigerung der Gästezahl.