SPD gewinnt Wahl in Niedersachsen

Partnersuche oder nicht?

Lange sah es nach einem CDU-Sieg in Niedersachsen aus. Nun aber hat die SPD offenbar klar gewonnen und ihren Abwärtstrend zum Ende des Wahljahres gestoppt. Stephan Weil dürfte an der Macht bleiben. Aber mit wem?

Autor/in:
Sebastian Engel und Uta Winkhaus (dpa)
Stimmabgabe bei Niedersachsen-Wahl / © Friso Gentsch (dpa)
Stimmabgabe bei Niedersachsen-Wahl / © Friso Gentsch ( dpa )

Drei Wochen nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl hat die SPD die Landtagswahl in Niedersachsen wohl deutlich gewonnen. Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Stephan Weil legen nach den Prognosen von ARD und ZDF kräftig zu und werden erstmals seit 1998 wieder stärkste Kraft.

Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF könnte es eventuell sogar noch für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition unter Ministerpräsident Stephan Weil reichen. Die CDU mit Spitzenkandidat Bernd Althusmann rutscht bei der vorgezogenen Wahl auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ab, nachdem sie in Umfragen lange klar geführt hatte.

Schwierige Regierungsbildung?

Sollte es nicht für Rot-Grün reichen, steht in dem zweitgrößten deutschen Flächenland eine schwierige Regierungsbildung bevor. Denkbar wären eine große Koalition aus SPD und CDU, ein Ampel-Bündnis von SPD, FDP und Grünen sowie eine Jamaika-Koalition. Über ein solches Bündnis von CDU, FDP und Grünen im Bund verhandelt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab Mitte dieser Woche in Berlin.

Nach den Prognosen (18.00 Uhr) können die Sozialdemokraten in Niedersachsen ihr Ergebnis auf 37 bis 37,5 Prozent steigern (2013: 32,6). Die CDU kommt nur noch auf 35 Prozent (36,0). Zum ersten Mal seit 2003 ist sie damit nicht mehr stärkste Kraft in dem Bundesland.

Die Grünen verlieren ebenfalls und erreichen 8 bis 8,5 Prozent (13,7). Die FDP landet bei 7 bis 7,5 Prozent (9,9). Die AfD schafft erstmals knapp mit 5,5 Prozent den Sprung ins Parlament, bleibt aber deutlich hinter ihren jüngsten Wahlerfolgen zurück. Die Linke muss um den Einzug zittern, sie liegt den Prognosen zufolge bei 4,5 bis 4,8 Prozent (3,1). Bleibt es dabei, sind künftig fünf statt bisher vier Parteien im Landtag in Hannover vertreten.

Die Sitzverteilung sieht nach den Prognosen von Infratest dimap (ARD) und Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) so aus: CDU 51 (2013: 54), SPD 54 (49), Grüne 11 bis 12 (20), FDP 10 bis 11 (14) und die AfD 8 (0).

Die Neuwahl wurde nötig, weil die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten Anfang August von den Grünen zur CDU gewechselt war. Die seit 2013 regierende rot-grüne Koalition verlor damit ihre Ein-Stimmen-Mehrheit. Die Wahl war ursprünglich im Januar 2018 geplant.

Großer Erfolg für die SPD

Verschiedene Regierungskonstellationen sind nun denkbar: Sollten die Mehrheiten ausreichen, wollen SPD und Grüne ihre Koalition - die letzte rot-grüne in einem Flächenland - fortsetzen. Eine große Koalition hat SPD-Landeschef Weil im Wahlkampf als "extrem unwahrscheinlich" bezeichnet, der CDU-Landesvorsitzende Althusmann nannte sie eine Option. Das Klima zwischen den beiden Parteien ist aber wegen des Twesten-Wechsels angespannt. Eine große Koalition hat in Niedersachsen zudem keine Tradition. Ein solches Bündnis endete dort zuletzt 1970.

Einer Jamaika-Koalition stehen CDU, FDP und Grüne ablehnend gegenüber, zumal die Stimmung zwischen Grünen und CDU ebenfalls wegen des Twesten-Wechsels vergiftet ist. Außerdem gilt es als unwahrscheinlich, dass die Grünen bei einem so starken SPD-Ergebnis mit der CDU in Verhandlungen eintreten. Eine Ampel-Koalition hat die FDP bisher kategorisch abgelehnt, weil sie nicht der Mehrheitsbeschaffer für die Fortsetzung eines rot-grünen Bündnisses sein will.

Für die SPD bedeutet das Ergebnis einen Riesenerfolg zum Ende des Superwahljahres. Neben der Bundestagswahl (20,5 Prozent) hat die Partei in diesem Jahr auch alle drei bisherigen Landtagswahlen verloren. Ihren letzten Erfolg erzielten die Sozialdemokraten bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses im September 2016, allerdings mit großen Verlusten. Nun können sie zum ersten Mal seit der Wahl in Rheinland-Pfalz im März 2016 prozentual wieder zulegen.

Auftrieb für Martin Schulz?

Die Wahl könnte auch SPD-Chef Martin Schulz Auftrieb geben, der sich trotz seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur im Dezember zur Wiederwahl stellen will. Er hatte unmittelbar nach der Bundestagswahl angekündigt, die SPD in die Opposition zu führen.

Großer Verlierer sind die CDU und Herausforderer Althusmann. Das Ergebnis dürfte auch die Jamaika-Verhandlungen für Kanzlerin Merkel nicht einfachen machen. In Niedersachsen hatte die CDU Mitte August in Umfragen noch bei rund 40 Prozent gelegen, ein Erfolg galt als sicher. Gründe für die Verluste könnten das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl sein, aber auch der Wechsel der Grünen-Abgeordneten Twesten zur CDU, der von SPD und Grünen als Intrige angesehen wird. Zudem sind die Beliebtheitswerte von Weil weitaus höher als die Althusmanns.

Die AfD schafft knapp den Sprung in den Landtag und ist damit nun in 14 von 16 Landesparlamenten vertreten. Ein Grund für das vergleichsweise schwache Ergebnis dürften auch die andauernden Querelen im Landesverband gewesen sein. Beherrschend im Wahlkampf waren vor allem regionale Themen wie die Schul- und Agrarpolitik. Zur Wahl waren 6,1 Millionen Menschen aufgerufen.

Katholisches Büro Niedersachsen mit Erwartungen

Das Katholische Büro in Niedersachsen hatte vor der Wahl Erwartungen in Richtung der kommenden Regierung formuliert. "Wir hoffen, dass die zahlreichen guten Projekte, die es in Niedersachsen gibt, weitergeführt werden", sagte der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Prof. Felix Bernard, gegenüber domradio.de.

Im Rahmen der offenen Flüchtlingspolitik, die hier betrieben wurde, sei beispielsweise das Bündnis "Niedersachsen packt an" entstanden, fuhr Bernard aus. "Landesregierung, Gewerkschaften, kommunale Spitzenverbände, Unternehmerverbände und die Kirchen haben sich zusammengetan und eine Willkommenskultur für die geflüchteten Menschen geschaffen. In der Energie- und Klimapolitik wurden viele Ziele formuliert, an denen die Kirchen auch mitgearbeitet haben, die weiter verfolgt werden sollten. Und wir brauchen nach wie vor eine Familienpolitik, die allen Menschen zu Gute kommt, von den Kindern bis zu den alten und pflegebedürftigen Menschen", ergänzte er.

Auch in den Themenfeldern Betreuung und Bildung sieht Bernards Bedarf. "Wir brauchen beitragsfreie Kindertagesstätten und zusätzliches Betreuungspersonal, das außerdem gut ausgebildet sein sollte." In Hinblick auf den Lehrermangel sei es zunächst einmal wichtig, dass man Lehrer ausbilde und für die entsprechenden Studiengänge werbe. "Allerdings ist der Lehrermangel ein bundesweites Problem, das wir in Niedersachsen nicht alleine beheben können. Das wird einige Zeit brauchen", fasste Bernards abschließend zusammen.

Information: Stand der Prognosen von ARD und ZDF vom 15.1.2017 um 18:15 Uhr.


Stephan Weil / © Michael Kappeler (dpa)
Stephan Weil / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , DR